Wie der Staat im Umgang mit der Scheinselbstständigkeit gleich zweimal versagt...
Heute lesen Sie mal etwas Politisches von mir. Denn das Thema Scheinselbstständigkeit brennt mir unter den Nägeln. Sagen Sie hinterher bitte nicht, ich hätte Sie nicht gewarnt.
Die Verbände DDIM und AIMP schätzen, dass in Deutschland zwischen 14.000 und 20.000 Interim Managerinnen und Interim Manager aktiv sind.
Diese Männer und Frauen bilden den Kit für unser Wirtschaftsleben. Sie springen ein, wenn schnelle Hilfe gefragt ist. Sie arbeiten sich Turbo-schnell in Organisationen und Probleme ein – und erzielen in kürzester Zeit einen extrem hohen Wirkungsgrad. Dafür werden sie gut bezahlt, sind aber trotzdem meistens günstiger als klassische Berater – und: Sie bleiben, bis die Arbeit erledigt ist. Was will man mehr?
Tja, der Staat will mehr! Er meint, dass diese freiberuflichen Unternehmerinnen und Unternehmer Sozialabgaben zahlen sollen - und nennt das dann Scheinselbstständigkeit.
Und was macht der Staat, wenn es um seine Organisationen also z.B. Schulen, Verwaltungen und andere öffentliche Einrichtungen geht? Er dreht den Spieß zu seinen Gunsten um und zwingt diese Menschen in die Rolle einer faktischen Selbstständigkeit, obwohl diese das gar nicht wollen! Exemplarisch dafür steht die Misere des wissenschaftlichen Mittelbaus: Unter dem Hashtag #ichbinhanna machen junge Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler auf die Situation von ca. 168.000 Angestellten an Universitäten, Schulen und öffentlichen Einrichtungen aufmerksam, denen die öffentliche Hand seit Jahren immer nur zeitlich befristete Arbeitsverträge anbietet.
Mitunter berichten wissenschaftliche Mitarbeitende von der 11. Verlängerung ihrer Verträge! 9 von 10 Verträgen sind befristet. Die Hälfte läuft weniger als ein Jahr. Betroffen sind oft junge Menschen, die sich mit wissenschaftlicher Arbeit, Existenzen aufbauen und Familien gründen wollen. Wie geht das, wenn man nicht weiß, ob der Arbeitsvertrag in 6 Monaten nochmal verlängert und ob man dann noch die Miete zahlen kann?
Lieber Staat: Warum drangsalierst Du Freiberufler in ihrer Existenz und stellst Sie pauschal unter den Verdacht der Scheinselbstständigkeit? Und dort, wo Du in der Rolle des Arbeitgebers bist, holst Du Dir den maximalen Freiraum und zwingst Menschen, die es nicht wollen, in eine faktische Selbstständigkeit.
Du schaffst damit ein Konstrukt, dass Dir genau die Flexibilität gibt, die Du der Wirtschaft nicht zubilligen willst. Etwa, weil bei den Freiberuflern etwas zu holen ist – und Du bei den jungen Forschenden geben müsstest? Der Hashtag #ichbinhanna legt diesen Missstand offen.
Als Bürger darf man Wünsche äußern. In Wahlkampfzeiten hat man sogar die berechtigte Hoffnung, gehört zu werden. Lassen Sie mich also an unsere zukünftige Bundesregierung appellieren: Liebe neue Bundesregierung: Schaffen Sie endlich Planungssicherheit für Fach- und Führungskräfte, die als Selbstständige wirken wollen. Und schaffen Sie auch Sicherheit für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von öffentlichen Einrichtungen, die nicht in die Rolle eines faktisch Selbstständigen gezwungen werden wollen.
Liebe Bundesregierung, nehmen Sie sich dieser Missstände an. Bundestagswahl ist am 26. September. Abstimmen können Sie auch schon jetzt, indem Sie diesen Beitrag liken oder sharen.