Keine Veranstaltung, keine Podiumsdiskussion, kein Networking-Event, bei dem das Thema Tagessatz nicht auf den Tisch kommt. Auf den vielen Veranstaltungen für Interim Manager:innen, bei denen ich persönlich anwesend bin, ist ein Thema so sicher wie das Amen in der Kirche: der Tagessatz.
Tagessatz verhandeln: Stellen Sie sich auf die Seite Ihres Kunden
Es ist wie bei der Diskussion über Schiedsrichter-Entscheidungen im Fußball: Zum Tagessatz haben Interim Manager und Projektexpertinnen immer eine Meinung. Aus meiner Sicht geht es in der Diskussion um Tagessätze aber nicht um Standpunkte, sondern um die Argumentationsweise. Mein Ratschlag: Zeigen Sie Ihrem Kunden, dass die Opportunitätskosten – nämlich, nichts zu tun – deutlich höher sind als der Betrag, den Sie voraussichtlich in Rechnung stellen werden. Argumentieren Sie, indem Sie sich auf die Seite Ihres Kunden stellen – und nicht, indem Sie Ihren Standpunkt als Gegenposition zu der Ihrer Kundschaft aufbauen.
Mehrwert für die Kundschaft erkennbar machen
Das ist Ihnen zu theoretisch? Hier ein paar Beispiele aus der Praxis: Welcher Schaden würde entstehen, wenn ein Produktionsstandort ohne Leiter auskommen muss und darum das Risiko besteht, Lieferzusagen nicht einhalten zu können? Was passiert, wenn die HR-Abteilung keine Recruiting-Expert:innen hat und darum nicht in der Lage ist, dringend benötigtes Fachpersonal zu finden, um Aufträge umzusetz?
Versuchen Sie, in der Auftragsklärung mit Ihrem Kunden möglichst viel darüber zu erfahren, welche Folgen es hat, sollte eine Vakanz zu lange offenbleiben oder ein Transformationsprojekt nicht vorangetrieben werden. Welchen Einfluss hätte dies auf das laufende Geschäft? Welche Ziele blieben auf der Strecke? Welcher Schaden entsteht – ganz konkret? Je klarer die Antworten auf diese Fragen, desto greifbarer wird Ihre Beauftragung. In der Regel steigt damit auch die Zahlungsbereitschaft. Beide Seiten erkennen den Mehrwert eines Projekt- oder Interim-Einsatzes – und die damit verbundenen Kosten inklusive des von Ihnen geforderten Tagessatzes.
Wechseln Sie in der Diskussion um einen angemessenen Tagessatz also von einer sender- in eine empfängerorientierte Kommunikation. Überzeugen Sie zuerst mit dem, was Sie für den Kunden tun können (Welches Problem löse ich?) und nicht mit dem was sie mitbringen. Hinterfragen Sie dazu die konkrete Situation Ihres Kunden und sammeln Sie Sachargumente.
Im Interesse des Kunden denken – dann steigt der Tagessatz
Hüten Sie sich jedoch davor, Probleme größer machen zu wollen, als sie sind. Interim-Mandate sind in der Regel keine Routineeinsätze. Können Sie im Gespräch mit Ihrer Kundschaft nicht herausarbeiten, wo ihre Schmerzpunkte liegen und wie Sie diese adressieren können, verwässert Ihre Wirkungskraft als Interim Manager. Das hat negative Konsequenzen für Ihren Tagessatz – oder für Ihre Chance, den Zuschlag zu erhalten. Fragen Sie potenzielle Auftraggeber:innen ganz offen, ob ihre Herausforderung mit Bordmitteln lösbar wäre. Verneinen sie diese Frage, ist klar, dass ein externer Interim Manager oder eine externe Projektexpertin eine gute Option ist. Die Entscheidung zugunsten des Interim-Mandats ist dann eigentlich schon getroffen. Die Frage ist nur noch, „wer“ übernimmt, aber nicht mehr, „ob“ ein Mandat zu vergeben ist.
Mein Tipp zur Tagessatz-Diskussion
Lassen Sie sich bei der Auftragsklärung vor allem von der Kundensituation leiten. Suchen Sie nach Sach- und Nutzenargumenten für Ihren Projekt- oder Interim-Einsatz, indem Sie sich selbst und Ihre Kundschaft fragen was passiert, wenn nichts getan werden würde. Relativieren Sie Ihren Tagessatz, indem Sie diesen qualitativ und quantitativ aus Kundensicht bemessen. Ermahnen Sie sich im Gespräch mit Ihrem Kunden immer wieder, mehr über seine Schmerzpunkte zu fragen. Und verzichten Sie stattdessen darauf, fortlaufend von Ihren Leistungen zu erzählen.