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Wie kann ich einen passenden EMS-Dienstleister finden?

Die Zusammenarbeit mit verlässlichen EMS-Dienstleistern ist für viele Unternehmen überlebenswichtig - woran sich auch so bald nichts ändern wird: Laut einer Studie des ifo-Instituts vom August 2021 werden deutsche Unternehmen weiterhin an globalen Lieferketten hängen, auch weil ein Reshoring der Produktion sehr kostenintensiv wäre. Doch wie findet man einen passenden EMS-Dienstleister? Das erklärt unser Experte.

1. Definieren Sie den Anbieter-Markt

Leiterplattenbestücker oder Anbieter von Electronic Manufacturing Services sind im Automotive-Bereich, der Medizintechnik und vielen anderen Branchen ein unverzichtbares Glied der Wertschöpfungskette. Um einen passenden Anbieter zu finden, müssen Sie sich zunächst einmal einen Marktübersicht über die verschiedenen Dienstleister verschaffen.

Dazu sollten Sie zuerst einmal den Markt durch Festlegung geeignete Auswahlkriterien eingrenzen, um festzulegen, wo Sie nach potenziellen Dienstleistern recherchieren wollen. Um welche Merkmale es sich dabei handelt, lässt sich nicht pauschal sagen. Je nachdem, in welchem Bereich Sie tätig sind und welche Ziele Ihr Unternehmen verfolgt, kann die Kriterienauswahl anders ausfallen.

Folgende Kriterien könnten z.B. von Bedeutung sein:

  • Qualifizierung
  • Fertigungskapazität
  • Preissegment
  • Level an technischen Support
  • Größe des Einkaufsvolumens
  • Automotive-Erfahrung
  • Branchen der Kunden

Überlegen Sie sich also, was für Sie einen passenden EMS-Lieferanten ausmacht. Mit der Auswahl und Gewichtung der Kategorien definieren Sie für sich den Markt für Dienstleistungen im Bereich der Elektronikfertigung.

2. Legen Sie das Anforderungsprofil des Dienstleisters fest

Erarbeiten Sie als nächstes ein Anforderungsprofil des Dienstleisters auf Basis der geplanten Bauteilgruppe und deren Herstellungsumfangs beim Lieferanten.

Hier ist zu überlegen, ob Sie nur die reine Leiterplattenbestückung wünschen (also die PCBA oder Printed Circuit Platte und Bestückung) oder auch eine nachfolgende Assemblierung (d.h. die PCBA & Final Assemblierung). Manche Fertigungsdienstleister bieten nur die Bestückung der Leiterplatten an, während andere die finale Assemblierung zusätzlich machen.

Sind sie also auf der Suche nach einem Lieferanten, der ihnen eine Leiterplatte bestückt und beispielsweise in einem Metallgehäuse fixiert, an dem wiederum verschiedene Steckerabgänge montiert sind, sie jedoch eine bestimmte Gesamtgröße einhalten müssen und das Bauteil bestimmten Anforderungen (z.B. Vibration) erfüllen muss, wird ein Lieferant, der nur die Leiterplatte bestückt, nicht ausreichen. Vielmehr benötigen sie in diesem Fall einen EMS-Lieferanten der zusätzlich einen Zusammenbau und evtl. auch noch die Entwicklung anbietet.

Wenn Sie darüber hinaus vorhaben, den EMS-Dienstleister der Optimierung Ihrer eigenen Elektronikfertigung wegen in Ihren Entwicklungsprozess mit einzubinden, müssten Sie bei der Festlegung des Anforderungsprofils zusätzlich auf die Entwicklungskompetenz und auf das technische Verständnis achten. Es empfiehlt sich weiterhin den Umfang, den der Fertigungsdienstleister, über die reine Bestückung der Leiterplatte hinaus, zu übernehmen hätte, klar definieren. Es sollte bspw. deutlich werden, ob und welche Entwicklungsleistungen mit angeboten werden sollen, und ob diese der Lieferant selbst macht oder extern vergeben möchte.

3. Generieren Sie eine Lieferanten-Shortlist

Nach Festlegung aller notwendigen Kriterien können Sie eine Marktrecherche durchführen und sich eine gezielte Marktübersicht verschaffen.

Sinnvoll ist dabei diese Vorgehensweise:

  1. Stellen Sie eine Liste aller EMS-Dienstleister zusammen. Dabei kann es sinnvoll sein, branchenübliche Ranglisten heranzuziehen, die oft jedes Jahr neu erstellt werden. Solche Ranglisten lassen sich mit speziellen Lieferantensuchmaschinen finden, aber auch wenn Sie "top ems-dienstleister" oder etwas ähnliches googeln. Natürlich handelt es sich hierbei nur um erste Anhaltspunkte - dass die Rangliste eine tatsächliche Kompetenz in der Fertigung oder Bestückung von Leiterplatten entspricht, ist damit noch nicht gesagt.
  2. Filtern Sie diese Liste anhand Ihrer (ggf. gewichteten) Kriterien. Dadurch entsteht eine Lieferanten-Longlist, bei der es sich um einen guten Marktüberblick handelt.
  3. Wählen Sie aus der Lieferanten-Longlist mit Hilfe des erstellten Anforderungsprofiles und weiterer differenzierter Kriterien weiter aus, um eine Shortlist von 10 bis 20 Lieferanten von Bauteilen bzw. Baugruppen zu generieren.

4. Identifizieren Sie Schlüssellieferanten

Auf Basis Ihrer Shortlist können Sie nun Schlüssel- oder Key-Lieferanten identifizieren.

Voraussetzung dafür ist indes die Festlegung Ihrer Sourcing-Strategie, wobei Sie diese immer in Abstimmung mit Ihrer jeweiligen Warengruppenstrategie festlegen sollten. Denn je nach Warengruppenstrategie wird sich die Anzahl der Anbieter unterscheiden, mit denen Sie zusammenarbeiten wollen, sowie die Region, in der Ihre künftigen Partner tätig sind.

Als Sourcing-Strategie bewährt hat sich etwa das Multisourcing: Arbeitet man mit mehreren Anbietern zusammen, die womöglich noch in unterschiedlichen Regionen produzieren, kann man erstens günstigere Preise erzielen und vermeidet zweitens Abhängigkeiten von einzelnen Anbietern, was wiederum die Gefahr von Lieferengpässen reduziert. Andererseits muss beim Multisourcing in der Regel mit höheren Kosten beim Beschaffungsprozess gerechnet werden.

Um Ihre Schlüssellieferanten zu identifizieren, sollten Sie folgendermaßen vorgehen:

  1. Schicken Sie allen Fertigungsdienstleistern auf der Shortlist eine Geheimhaltungsvereinbarung oder NDA mit der Bitte um Bestätigung. Bevor das NDA nicht unterschrieben ist sollten Sie auf keinen Fall weitere Schritte unternehmen.
  2. Holen Sie erste Informationen ein, indem Sie den RFI-Prozess mit der Versendung der nötigen Unterlagen - u.a. der Spezifikation der zu vergebenden Bauteilgruppe, der Qualitätsanforderungen und der Geschäftsbedingungen - starten und sich die ersten Richtpreisangebote geben lassen.
  3. Bewerten Sie die eingehenden Informationen, indem Sie die Informationen und Angebote z.B. nach Lieferbedingungen oder Stückzahlen vergleichbar machen. Erstellen Sie eine Angebotsübersicht, indem Sie kommerzielle und technische Parameter gewichten, die Sie zuvor im Team festgelegt haben. Bleiben Punkte offen, müssen Sie diese klären, ggf. indem Sie bei den betreffenden Unternehmen weitere Informationen einholen.
  4. Reduzieren Sie Ihre Shortlist, indem Sie mit Blick auf Ihre Sourcing-Strategie sowie auf die Gewichtung einzelner kommerzieller und technischer Parameter aus der Angebotsübersicht 3 bis 5 Anbieter auswählen.

5. Nominieren Sie die finalen EMS-Lieferanten

Aus der Gruppe der Key-Lieferanten können Sie nun endlich die finalen EMS-Dienstleister nominieren.

Dazu sollten Sie versuchen, deren Ansätze bzw. Konzepte in Produktion und Fertigung möglichst genau nachzuvollziehen, sich aber auch einen Eindruck von ihren Kompetenzen und tatsächlichen Fertigungskapazitäten zu verschaffen. Dies können Sie z.B. in Form von Workshops tun, die Sie zusammen mit den Key-Lieferanten durchführen. Sehr nützlich sind natürlich auch Ortstermine an den bevorzugten Produktionsstandorten der einzelnen Anbieter.

Auf Basis dieser Einsichten können Sie Ihre Angebotsübersicht abermals aktualisieren und schließlich diejenigen Key-Lieferanten auswählen, mit denen Sie in Verhandlungen eintreten wollen. Grundlage der Verhandlungen sollte die aktuelle Spezifikation der Baugruppen sein, natürlich unter Berücksichtigung künftig eventuell notwendiger Veränderungen.

Am Ende sollte idealerweise ein Entwicklungsvertrag stehen, zumindest aber ein belastbarer Letter of Intent.

6. Binden Sie die nominierten EMS-Lieferanten ein

Binden Sie als nächstes die final nominierten EMS-Lieferanten in Ihren Entwicklungsprozess ein. Das ist ein ziemlich komplexer Vorgang, zu dem mindestens folgende Schritte gehören:

  1. Als erstes müssen die Verantwortlichkeiten in den einzelnen Entwicklungsschritten definieren werden. Grundlage sollte ein Kooperationskonzept sein, in dem bestimmt wird, wer was bis wann zu tun hat. Das können Sie im Rahmen eines Kick-Off-Meetings tun.
  2. Sodann müssen Sie technischen und kaufmännischen Interfaces zwischen Ihnen und den EMS-Anbietern bestimmen: Definieren Sie Ansprechpartner für die technischen bzw. kommerziellen Belange sowohl auf der Lieferanten- als auf der Kundenseite. Auf diese Weise stellen Sie eine zeitnahe, zielgerichtete und möglichst verlustfreie Kommunikation sicher.
  3. Führen Sie Audits an den Produktionsstätten der nominierten EMS-Lieferanten durch. Ihre Qualitätssicherung-, Entwicklungs- und Einkaufabteilungen sollten dabei unbedingt eingebunden sein.
  4. Führen Sie ein Kosten-Tracking ein, dass alle Kosten bzw. Investitionen erfasst, die beim Lieferanten in den einzelnen Produktentstehungsphasen zusätzlich anfallen. Das schafft Transparenz, nicht nur bei der anteiligen Kundenumlage auf den Bauteile-Preis, sondern auch bei der möglichen Erhöhung geforderter Investmentzahlungen der EMS-Lieferanten.
  5. Etablieren Sie regelmäßige Abstimmungsrunden, in denen Sie sich mit den Fertigungsdienstleistern auf der Managementebene über aktuelle technische und kommerzielle Probleme und Fragestellungen austauschen.
  6. Setzen Sie schließlich einen Serienbelieferungsvertrag auf, der vor allem die entscheidenden Eckpunkte auf Kundenseite fixiert. Der Vertragsentwurf sollte deshalb nicht vom Dienstleister kommen, sondern von Ihnen.

7. Führen Sie einen Angebotsabgleich für die Key-Komponenten durch

Sobald eine Stückliste (Bill of Materials) der Materialien und Bauteile vorliegt, die für die Entwicklung, Fertigung und Bestückung der Leiterplatten nötig sind, können Sie den Angebotsabgleich aktualisieren, den Sie zur Auswahl der Schlüssellieferanten erstellt haben.

Stellen Sie dafür aus Ihrer Stückliste die Komponenten zusammen, bei denen es sich nach dem Pareto-Prinzip um Schlüsselkomponenten handelt, und gleichen Sie die Preise ab, die die Unternehmen auf Ihrer Approved-Vendor-List für diese Key-Komponenten nennen.

Danach können Sie entscheiden, welche Bauteile Sie von welchen EMS-Lieferanten kaufen, und welche Sie als Beistellteile direkt vom Hersteller beziehen wollen.

Um die Kosten noch weiter zu reduzieren, sollten Sie für die Key-Komponenten ein umfassendes Cost-Break-Down erstellen, um die Kostentransparenz zu erhöhen. Das verbessert nämlich nicht nur das Kosten-Tracking, sondern ermöglicht auch die Suche nach potenziellen Alternativlieferanten für die Key-Komponenten. Sollten Sie kostengünstigere Alternativen finden, müssten Sie allerdings zuerst mit der Entwicklung Rücksprache halten: Die hat in dieser Phase das letzte Wort.

8. Schließen Sie den Serienbelieferungsvertrag ab

Sobald auf Basis der aktuellen Stückliste und dem letzten Design Freeze feststeht, welches Angebot das kostengünstigste ist, können Sie den Serienbelieferungsvertrag abschließen.

Wichtig ist dabei vor allem, auf der Grundlage eines Mengengerüstes den Zielpreis und die Preisabbaustufen über die folgenden Jahre zu fixieren.

Ratsam ist auch die Aufnahme von Klauseln, die zusätzliche, von verschiedenen Mengenoptionen abhängige Kostenveränderungen regeln: Dadurch kann man sich spätere Diskussionen nicht selten ersparen.