Smart Data als Wettbewerbsvorteil: Wie kann man mit Data, Advanced Analytics und Intelligence Differenzierung und Wachstum generieren?
Künstliche Intelligenz (KI) sei kein leeres Versprechen, meint unser Experte für datenbasierte Innovationen, sondern ein Bündel von Technologien, die Unternehmen zu ihrem Vorteil nutzen sollten. Ein Gespräch über den smarten Einsatz von Daten, Wertschöpfungsketten und den Aufbau von Ecosystemen.
Wie macht man Smart Data zu einem Wettbewerbsvorteil?
Sie unterstĂĽtzen Ihre Kunden dabei, Wettbewerbsvorteile auf Basis von Daten zu schaffen. Wie sind Sie dazu gekommen? Was interessiert Sie daran?
Mich interessiert der Einsatz von Daten als Innovationstreiber. Ich glaube, dass Smart Data – also die geschickte Nutzung von Daten zu kommerziellen Zwecken – eines der effektivsten Mittel unserer Zeit ist, Innovationen voranzutreiben.
Das macht Smart Data in meinen Augen zu einem klaren Wettbewerbsvorteil.
Zwar erleben wir gerade in den letzten Jahren einen besonders großen Hype um Begriffe wie Artificial Intelligence, Machine Learning, Deep Learning – und davor war es der Hype um Big Data.
Jedoch bin ich der Meinung, dass jenseits der ĂĽberzogenen Erwartungen diese Technologien zu einer Differenzierung gegenĂĽber dem Wettbewerb fĂĽhren, wenn Unternehmen sie entsprechend zu nutzen wissen.
Und dabei spielt die smarte Nutzung und Kommerzialisierung von Daten eine ganz wesentliche – entscheidende und einschneidende – Rolle.
„Die Zeit für den Einsatz von KI ist definitiv gekommen.“
Im Zusammenhang mit KI, Deep Learning usw. sprachen Sie gerade von Hype. Wie passt das zu Ihrer Diagnose, diese Technologien seien die neuen Treiber von Differenzierung und Wachstum?
Was ich meine, ist die sogenannte Hype-Kurve. Typischerweise durchläuft die Begeisterung für eine neue Technologie verschiedene Phasen eines Zyklus – teils auch mit Zeiten großer Euphorie und überzogener Erwartungen –, bis man tatsächlich zu wertschöpfenden Lösungen kommt, die sich am Markt etablieren.
Was KI anbetrifft, so hat Interesse und Aufmerksamkeit über die letzten zehn Jahren stetig zugenommen und war gerade in den letzten ein, zwei Jahren besonders ausgeprägt. Denken Sie z.B. nur an die aktuelle Diskussion rund um die immer größer werdenden GPT-Sprachmodelle.
Wir sind also Ihrer Einschätzung nach jetzt so weit, dass der Einsatz von KI tatsächlich ein Wettbewerbsvorteil sein kann?
Ja, wir sind jetzt so weit. Die Zeit fĂĽr den Einsatz von KI ist definitiv gekommen.
Wir sollten nur rasch die ĂĽberzogenen Erwartungen des aktuellen Hypes ĂĽberwinden und zĂĽgig zu praktischen, kommerziellen Anwendungen ĂĽbergehen.
Warum ist gerade jetzt die Zeit gekommen, KI zu nutzen?
In der nun über 70-jährigen Entwicklungsgeschichte der KI gab es immer wieder Phasen, in denen wirtschaftliche Verwertung und sogar KI-Forschung nahezu zum Stillstand kamen – die sogenannten KI-Winter.
Aber gerade in den letzten 25 Jahren haben sich nicht nur erfolgreich neue mathematische Methode der KI entwickelt. Sondern inzwischen sind auch für den Einsatz von KI verbundene Technologien in der Breite verfügbar - z.B. in vernetzten Produkten. Denken Sie nur an das allgegenwärtige Smartphone.
Sie meinen damit die Verbreitung des Webs sowie die Möglichkeit großer Mengen von Daten zu sammeln und auszuwerten.
Ganz genau. Die harte Konsequenz daraus ist: Diese Informationstechnologien transformiert derzeit den Wettbewerb zwischen Unternehmen auf sehr grundlegende und radikale Weise.
„Das setzt eine kreative Dynamik in Gang, die zu neuen Ideen führt.“
Sie sprachen vorhin von datenbasierten Innovationen. Woran denken Sie dabei?
Also wenn ich ĂĽber datenbasierte Innovationen spreche, dann denke ich an Smart-Data-Innovationen.
Was ich damit meine, ist zunächst einmal der kluge Einsatz von Daten für den geschäftlichen Nutzen – aus Daten Erkenntnisse zu generieren und diese in vermarktbaren Mehrwert zu verwandeln. Darüber hinaus ist es aber die besondere Kombination aus Daten, Advanced Analytics und Intelligence, die einen einzigartigen Kundenvorteil generiert.
Gemeint ist damit die automatisierte oder halb-automatisierte Auswertung von Daten – und zwar in einem weitaus stärkerem Maße, als das bisher in der Business Intelligence üblich war. Dadurch kann ein Unternehmen ganz neue Einsichten über sein Geschäft und die Nutzung seiner Produkte gewinnen. Aber auch Prognosen erstellen oder Empfehlungen generieren.
Unternehmen sind dadurch in die Lage versetzt, sich langfristige Wettbewerbsvorteile zu verschaffen. Die Art und Weise, wie Unternehmen Daten nutzbar machen und einsetzen, wird mehr und mehr zu einem entscheidenden Faktor ihrer Zukunftsfähigkeit werden.
Ich glaube, das ist bisher noch nicht wirklich in aller Konsequenz bei den Unternehmen angekommen.
Was meinen Sie damit? Können Sie das einmal konkreter beschreiben, wie das aussieht?
Ja. Die Insights, also die Erkenntnisse, die aus der Auswertung von Daten generiert werden können, lassen sich meiner Meinung nach vor allem in zwei Bereichen in einen vermarktbaren Mehrwert verwandeln.
Erstens in der Produktentwicklung: Bestehende Produkte können mithilfe der automatisierten Auswertung von Daten mit zusätzlicher Funktionalität angereichert werden. Durch diese Weiterentwicklung können diese Produkte – man spricht dann auch von Smart Products – näher am Kundenbedürfnis ausgerichtet werden als bisher vergleichbare Angebote – also ein klarer Wettbewerbsvorteil.
Zum anderen in der Entwicklung von Geschäftsmodellen: Smart Data macht ganz neue, innovative Geschäftsmodelle erst möglich. Denken Sie z.B. nur an die Big-Tech-Unternehmen Alphabet (Google) oder Meta (Facebook). Deren Geschäftsmodelle basieren zum überwiegenden Teil auf außerordentlich fortgeschrittenen Analysen von Daten.
In diesen beiden Bereichen, Produktentwicklung und Aufbau neuer Geschäftsmodelle – also auch digitale Geschäftsmodelle –, darin sehe ich das große Potenzial von Smart Data für langfristige Wettbewerbsvorteile. Aber eben auch die Bedrohung für die bestehenden Wettbewerbsvorteile!
Sie meinen damit wohl, daß meine Mitbewerber nichts davon abhält, ihrerseits Daten nutzbringend einzusetzen? Damit wäre dann mein Wettbewerbsvorteil schnell dahin.
Ja, genau. Aber das muss nicht zwangsläufig so geschehen, wenn man den richtigen Weg wählt und seine bereits vorhandenen Produkte als Ausgangspunkt für seine Smart-Data-Strategie ansieht.
Sie sehen das Potenzial von Smart Data also vor allem in der Weiterentwicklung des bestehenden Produktportfolios.
Ja, hier wĂĽrde ich jedenfalls beginnen.
Bei der Erweiterung eines Produkts mit Smart Data entstehen dann aber auch recht schnell neue Geschäftsideen – das ist jedenfalls meine Erfahrung –, weil man ja über die eigene Positionierung verstärkt nachdenkt, wenn man den Weg der Smart-Data-Innovationen einschlägt.
Die Nutzung smarter Daten setzt sozusagen eine Dynamik in der Geschäftsfeldentwicklung in Gang.
Ja, wenn der Ansatz konsequent verfolgt wird.
Das Unternehmen kommt dann in einen Prozess hinein, durch den es intensiv über seine Wertschöpfung nachdenkt: Es durchdenkt seinen gesamten Wertschöpfungsprozess und verändert und adaptiert diesen im Hinblick auf die Nutzung von Daten für den geschäftlichen Erfolg.
Das setzt eine kreative Dynamik in Gang, die zu neuen Ideen und Entwicklungen fĂĽhrt.
„Das Unternehmen konnte mithilfe der Nutzung von Smart Data seine Technologieführerschaft etablieren.“
Und eine solche Dynamik ist dann besonders ergiebig, wenn man das geeignete Produkt auswählt: eines, das ich auf Basis von Smart Data weiterentwickeln kann und das für meine Wertschöpfung zentral ist.
Ja, genau.
Könnten Sie das erläutern?
Nehmen Sie als Beispiel den industriellen 3D-Druck, dessen Technologie ich mitgestaltet habe.
Der 3D-Druck ist bekanntermaĂźen eine Transformationstechnologie, die mittlerweile in einer Vielzahl von Industriesegmenten angewandt wird. Sie ist wesentlicher Bestandteil der vierten industriellen Revolution.
Ich habe in der Pionierphase fĂĽr einen der ersten Hersteller von 3D-Druck-Maschinen gearbeitet.
Durch den Einsatz von Daten und Advanced Analytics gelang es mir, über den zugrundeliegenden 3D-Druckprozess wertvolle Erkenntnisse zu gewinnen. Das hat mich dann in die Lage versetzt, diesen Kernprozess wesentlich präziser steuern zu können und auftretende Fehler frühzeitig zu erkennen.
Konkret habe ich eine Software entwickelt, die erstmals ein sogenanntes "Closed-Loop Process Management" implementiert – also ein Prozessmanagement mit integriertem Feedback-Mechanismus. Diese Software überwacht den 3D-Druckprozess und steuert diesen adaptiv und datenbasiert mittels einer Analytics-Engine.
Das war damals eine wichtige Innovation.
Uns war es damit gelungen, die wichtigsten Leistungskennzahlen unserer Maschinen deutlich zu verbessern: Prozessstabilität, Baugeschwindigkeit, Fehlerrate sowie Qualität der gedruckten Teile. Was wiederum höhere Kosteneffizienz zur Folge hatte – also ganz offensichtlich alles Verbesserungen mit einem klaren Mehrwert für unsere Kunden.
Smart Data war hier der Innovationstreiber, der treibende Faktor, der unsere Technologie auf die nächste Stufe gehoben hat.
Wir können sogar sagen: Smart Data hat ganz entscheidend zum Durchbruch unseres elementaren 3D-Druckprozesses geführt und zur Etablierung der Technologieführerschaft des Unternehmens beigetragen.
Und dieses Beispiel lässt sich auf andere Industrieunternehmen übertragen.
Sicher.
Das lässt sich bei den unterschiedlichsten Maschinenbau-Unternehmen und in produzierenden Unternehmen realisieren. Überall dort, wo der Einsatz von Sensorik möglich ist und Daten z.B. aus technischen Prozessen erhoben werden können. Auch dort, wo es sich um die Nutzung vernetzbarer Maschinen oder Produkte beim Kunden handelt. Ebenso im Bereich der allgemeinen Geschäftsprozesse, die sich heute mehr und mehr über Prozess-Daten erfassen lassen. Überall dort macht es Sinn, über Smart-Data-Anwendungen nachzudenken, um Mehrwert für den Kunden zu generieren.
„Um Daten zu monetarisieren, ist es erforderlich, ein Ecosystem für datenbasierte Innovationen aufzubauen.“
Was wĂĽrden Sie denn einem Unternehmen raten, das Smart Data nutzen will?
Also, meine klare Empfehlung ist: Bauen Sie Schritt fĂĽr Schritt ein Ecosystem fĂĽr Smart-Data-Innovationen auf.
Im Unternehmen gibt es oft schon Vorstellungen davon, welche Rolle künstliche Intelligenz im Wertschöpfungsprozess spielen könnte. Erste Use Cases bestehen vielleicht schon oder es gibt Bereiche, die datenbasierte Anwendungen tatsächlich auch schon einsetzen, z.B. über externe Dienstleistungen.
Dann gilt es, solche erste Gehversuche schnell hinter sich zu lassen und mit relevanten, kommerziellen Anwendungen Fuß zu fassen – und dies mit dem erklärten Ziel, Daten systematisch für Innovationen und Wertschöpfung einzusetzen.
Und wie wĂĽrden Sie bei der Entwicklung einer solchen Anwendung vorgehen? Worauf ist besonders zu achten?
Bei der Entwicklung gilt es meiner Erfahrung nach folgende Punkte zu berĂĽcksichtigen:
Erstens: Fokussieren Sie sich bei Innovationen ganz stringent auf den Wert für Ihre Kunden – beginnen Sie also dort, wo sie den größten Wirkung für den Kunden erwarten – wobei ich mit „Wert“ einen relevanten Nutzen für den Kunden meine, der ausgerichtet ist entlang Ihrer eigenen Geschäftsziele.
Zweitens: Es ist wichtiger wirkungsvolle Insights aus den Daten zu gewinnen, als zuerst eine riesige Menge von Daten zu sammeln, sie zusammenzutragen und bewältigen zu wollen. Es geht vielmehr darum, schnell nötiges Domänen-Knowhow aufzubauen.
Drittens: Die Qualität der Daten bildet das Fundament für Ihre relevante, kommerzielle Anwendung. Bauen Sie also eine Akquisitions-Pipeline für hochwertige Daten auf.
Viertens: Schaffen Sie Transparenz ĂĽber die Anwendungs- und Leistungsgrenzen Ihrer Anwendung. Um eine positive Erfolgsdynamik aufzubauen, ist es ratsam, auch die Grenzen zu kommunizieren: wo Ihre Innovation einsetzbar ist und wo nicht.
Und schließlich fünftens: Time-to-Value ist ganz essenziell für Ihren Innovationserfolg. Geschwindigkeit ist entscheidend. Zum einen die Geschwindigkeit, mit der Sie Ihre Insights aktualisieren, aber auch die Geschwindigkeit, mit der Sie bei der Innovationsentwicklung nötige Kurskorrekturen vornehmen, um echten Kundennutzen zu generieren und Wert für Ihr Unternehmen zu erwirtschaften.
Aber wie gesagt – meiner Erfahrung nach lässt sich das am besten im Rahmen eines entsprechenden Ecosystems umsetzen.
Um Daten zu monetarisieren, ist es erforderlich, ein Ecosystem für datenbasierte Innovationen aufzubauen – also im Unternehmen günstige Bedingungen für Smart-Data-Anwendungen zu schaffen.
Nur so können innovative Anwendungen wachsen und gedeihen.
Wir haben leider nur noch wenig Zeit. Können Sie noch kurz etwas zum Aufbau eines solchen Ecosystems sagen? Worauf kommt es dabei an?
Ein effektives Ecosystem sollte drei Merkmale aufweisen:
Zum einen Agilität. In der Entwicklung, aber auch in der Bereitstellung und im operativen Betrieb einer Smart-Data-Lösung sind agile Arbeitsmethoden äußerst vorteilhaft, weil es typischerweise notwendig ist – und zwar entlang des ganzen Lebenszyklus einer Smart-Data-Innovation – diese immer wieder anzupassen, zum Beispiel an Neukundenbedürfnisse.
Ein Ecosystem sollte aber zweitens auch eine zuverlässige Technologieplattform für Daten bieten – eine Plattform für das Sammeln, Bereinigen und Auswerten von Daten, die in der Regel ja aus ganz verschiedenen Quellen stammen.
Der Aufbau einer solchen Plattform kann eine tiefgreifende Veränderung des Unternehmens bedeuten: Wir hatten ja vorhin schon darüber gesprochen – über die Veränderungen, die Sie anstoßen, wenn Sie über die Neuausrichtung Ihrer Wertschöpfungskette nachdenken.
Und das dritte Merkmal?
Das dritte Merkmal eines effektiven Ecosystems ist eine förderliche Data Governance.
Hand in Hand damit geht auch eine entsprechende Kooperationskultur im Unternehmen einher. Denn um das Potenzial von Daten zu heben, braucht es in der Regel neue Formen der Zusammenarbeit - innerhalb der Firma und ĂĽber dessen Grenzen hinaus.
Sie beginnen nämlich, zusätzlich zu den bisher bestehenden Lieferketten, digitale Liefernetzwerke aufzubauen, und das sind eben keine Lieferketten mehr, sondern Netzwerke.
Und um das wirklich erfolgreich zu betreiben, brauchen Sie eine fortgeschrittene Kooperationskultur: einmal im direkten Umgang mit Daten, aber auch insgesamt innerhalb Ihrer Organisationen. Das sollte definitiv Teil einer ĂĽbergreifenden Strategie sein, um das Potenzial von Daten freizusetzen.
Das mag sich nach einer anspruchsvollen, vielleicht sogar riskanten Transformation anhören. Aber es ist zweifellos umsetzbar und es lohnt sich. Denn wenn Sie diese Herausforderungen konsequent angehen, schaffen Sie sich ein förderliches Umfeld für erfolgreiche Smart-Data-Innovationen – Sie generieren echte, nachhaltigen Wettbewerbsvorteile auf Basis von Daten.
Ein schönes Schlussstatement, vielen Dank für das Gespräch!
Sehr gerne!