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Hotspot der indonesische Elektronikindustrie: Lohnt sich der Aufbau eines Produktionsstandortes in Batam?

Batam ist einer der am stärksten wachsenden Hightech-Standorte Südostasiens. Eine günstige Lage, moderne Infrastruktur und großzügige Steuervergünstigungen machen die Stadt für ausländische Investoren attraktiv. Aber lohnt sich der Aufbau eines Produktionsstandortes dort auch für mittelständische Unternehmen? Ein Gespräch mit unserem Experten für Anlaufmanagement und Batam-Kenner.

Guten Morgen! Vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für ein Interview über Batam nehmen.

Guten Morgen!

Sie sind Ingenieur, kommen aus Baden-Württemberg und haben einen Zweitwohnsitz im indonesischen Batam. Darf ich fragen, wie es dazu kam? Was macht ein Ingenieur aus dem Ländle mit einem Zweitwohnsitz in Indonesien?

Das kam wie so vieles über meine Frau, die dort schon einen Wohnsitz hatte. Sie ist als Geschäftsführerin in der Elektronikmontagefertigung tätig und kann von Batam aus potenzielle Kunden ansprechen.

Batam ist eben eine attraktive Stadt, auch wegen ihrer Lage im malaiischen Archipel direkt gegenüber von Singapur. Es ist eine Ausnahmestadt, die extrem schnell gewachsen ist: in nur 50 Jahren von nicht einmal 7.000 Seelen auf über 1,3 Millionen.

Das hat auch mit der staatlichen Förderung zu tun, insbesondere der Elektronikindustrie, die in Asien ja ohnehin stark vertreten ist.

„Batam hat aus meiner Sicht alles, was man sich wünschen kann."

Die Elektronikindustrie beherrscht die Stadt: Fast 90 Prozent der angestellten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sind in dieser Branche tätig. Auf der anderen Seite ist die Nachbarinsel Bintan ein Naherholungsgebiet für die Singapurer. Mit dem Schnellboot ist man in 30 Minuten da. Das sind große Gegensätze. Wie erleben Sie die Stadt?

Ja, es ist eine sehr lebhafte, pulsierende Stadt. Die Infrastruktur ist sehr gut entwickelt.  Verkehr, Internet, Dienstleistung – alles funktioniert sehr gut. Trotzdem wird weiter in die Verkehrsinfrastruktur investiert.

Auch der Einzelhandel ist hoch entwickelt. Ausdruck davon sind die hochmodernen Kaufhäuser.

Im Allgemeinen ist ein unternehmerisches Mindset weit verbreitet. Es gibt viele Kleinunternehmen, insbesondere im Dienstleistungssektor: Service wird großgeschrieben und man kann zu jeder Tages- und Nachtzeit fast alles bekommen, was man braucht.

Kann man von einer Gründerwelle oder einem Start-up-Boom sprechen?

Ich würde von einer großen Geschäftstüchtigkeit sprechen.

Ein Grund dafür ist der sehr niedrige Mehrwertsteuersatz von nur 10 Prozent. Die staatlichen Leistungen sind daher geringer als in Deutschland. Deshalb wird in Indonesien wird daher eben eher privat organisiert.

Das betrifft zum einen die Sozialleistungen. An die Stelle staatlicher Leistungen tritt die Familie – was nicht immer funktioniert. Das zwingt die Menschen, irgendwie für ihr Einkommen zu sorgen.

Ein weiterer Nachteil ist sicherlich das eher schwache Schulsystem. Fachkräfte kann man nicht einfach rekrutieren, sondern muss sie erst einmal schulen.

Dennoch sind Sie gerne in Batam?

Natürlich!

Batam hat aus meiner Sicht alles, was man sich wünschen kann.

Es gibt sehr viele junge Leute, die entsprechend dynamisch und hungrig sind und auch den Konsum ankurbeln.

Vor allem Elektronikartikel aller Art sind – teilweise steuerfrei – zu haben.

Und die Stadt liegt sozusagen Tür an Tür mit einem Naherholungsgebiet, das hatten Sie ja schon erwähnt.
Batam ist eine attraktive Stadt, sehr schön, ich bin gerne dort.

„Der indonesische Staat muss ein Interesse daran haben, einen ausländischen Investor zu fördern."

Indonesien hat die Elektronikindustrie im Rahmen der „Making Indonesia 4.0“-Strategie zur Schlüsselindustrie erklärt. So werden ausländische Investitionen mit teils extrem hohen Steuervergünstigungen gefördert: Je nach Branche und Investitionsvolumen von bis zu 100 Prozent für bis zu 25 Jahren. Der Verband der Elektro- und Digitalindustrie (ZVEI) sprach 2020 von „viel Potenzial, das sich … weiter erhöhen wird“ und einem „strategischen Markt“. Wie nehmen Sie die indonesische Elektronikindustrie wahr?

Stark wachsend.

Ein Beispiel: Infineon beschäftigt derzeit rund 2.000 Mitarbeiter an ihrem Backend-Fertigungsstandort in Batam. 2022 haben sie dort – glaube ich – 2,4 Milliarden Euro investiert, um die Produktionsfläche zu verdoppeln.

Das würden sie nicht tun, wenn es dort Wachstumshemmnisse gäbe.

Eine vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte Studie hat Indonesien eine hohe politische Stabilität bescheinigt. Das hat mich offen gesagt überrascht. Schließlich war Indonesien bis 1998 eine Diktatur. Erst 1998 hat sich das Land demokratisiert.

Ja, nach Haji Mohamed Suharto, der sich an die Macht putschte und 30 Jahre lang als Diktator herrschte, kam 1998 Jusuf Habibie an die Macht. Habibie – der übrigens an der RWTH Aachen studierte hatte – demokratisierte das Land.

Das heißt nicht, dass Suhartos Familie keinen Einfluss mehr hätte. Ein Schwiegersohn, Prabowo Subiantor, kandidierte 2014 und 2019 als Präsident – allerdings ohne Erfolg.

Die Schatten der Vergangenheit sind da.

Aber wenn ich mit den Leuten vor Ort rede, dann habe ich den Eindruck, dass das Land inzwischen gefestigt ist. Die von Ihnen erwähnte Studie würde das bestätigen.

Um nochmals auf die geografische Lage Batams zurückzukommen Welche Rolle spielt diese bei der Entwicklung der Elektronikindustrie?

Sie spielt natürlich eine große Rolle.

Singapur hat eine florierende Elektronikindustrie. Allerdings sind die Lohnkosten um ein Vielfaches höher als im übrigen Südostasien. Insofern liegt es nahe, nach Batam auszuweichen, das ja von Singapur aus in einer halben bis dreiviertel Stunde erreicht werden kann – vor allem wenn man unkomplizierte Hightech-Produkte produziert.

Batam liegt zudem an der Straße von Singapur. Diese verbindet zusammen mit der Straße von Malakka den Indischen Ozean mit dem Südchinesischen Meer.

Das ist eine der meistbefahrenen Wasserstraßen der Welt. Wenn ich mich recht erinnere, wird fast ein Viertel der weltweiten Schiffsfracht durch diese transportiert.

Was würden Sie Unternehmen raten, die über eine Produktionsstätte in Batam nachdenken? Wie würden Sie da vorgehen?

Ich würde sagen: Schritt für Schritt!

Als erstes würde ich mir ein Bild von der Situation vor Ort machen. Einfach eine Rundreise zu verschiedenen Produktionsstätten, um mehr oder weniger unverbindlich erste Kontakte zu knüpfen. In einem individuellen Rahmen kann ich so etwas sehr gut organisieren.

Der nächste Schritt wäre eine gründliche Prüfung der Rechtsform, die das Unternehmen haben müsste. Denn in Indonesien sind Gesellschaften anders strukturiert als in Deutschland. So müssen zum Beispiel die Rolle des Direktur Utama – also des Geschäftsführers – und des Komisaris Utama – das entspricht in etwa dem Vorstandsvorsitzenden – immer mit Einheimischen besetzt sein. Für eine solche Prüfung würde ich mir die Unterstützung einer Beratungsfirma holen, die sich auf indonesisches Recht spezialisiert hat.

Und dann muss man über die reine Rechtsberatung hinaus und mit den Leuten in Kontakt treten, mit denen man das Ganze dann aufbaut. Diese Kontakte kann ich auch herstellen.

Es geht also nicht um eine Produktionsverlagerung nach Batam, aber auch nicht um eine Übernahme.

Der indonesische Staat muss ein Interesse daran haben, einen ausländischen Investor zu fördern.

Das ist ein bisschen wie in der Ehe: Wenn man sich nur auf Paragrafen verlässt, kommt man nicht weit. Es kommt auf das „Wir machen das!“ an, auf den gemeinsamen Willen, etwas zu erreichen. Die Behördenmitarbeiter legen dann den Gesetzestext wohlwollender aus.

Ich will damit nur sagen, dass die persönlichen Beziehungen vor Ort eine sehr große Rolle spielen. Das kann man nicht mit E-Mails oder Video-Calls ersetzen.

Die Begegnung vor Ort hat für Geschäfte eine ähnliche Funktion wie früher Geschäftsessen in Deutschland. Und wenn Sie mir die Bemerkung gestatten: Dass die Institution „Geschäftsessen“ ihre Bedeutung eingebüßt hat, war keine gute Entwicklung.

„Weil ich ein Ingenieur bin, der die Gegebenheiten vor Ort sehr gut kennt."

Ein Thema, über das wir noch nicht gesprochen haben, sind die Arbeitsbedingungen in der Elektronikindustrie. Wie steht es damit?

Die Beschäftigten in der Elektronikindustrie sind relativ gut geschützt. „Hire and fire“ ist nach indonesischem Arbeitsrecht nicht möglich.

Aus meiner Sicht ist es eher schwierig, Mitarbeiter zu halten. Es kommt durchaus vor, dass sie das Unternehmen schon nach ein, zwei Jahren wieder verlassen, wenn sie ein attraktiveres Angebot bekommen. Das ist mit der Dynamik anderer Branchen vergleichbar. In der Hotellerie sind die besten Mitarbeiter auch immer im neuesten Hotel.

Das liegt vor allem am Mangel an qualifizierten Fachkräften.

Um Mitarbeiter zu halten, muss man eine entsprechende Unternehmenskultur etablieren, damit die Mitarbeiter gerne im Unternehmen arbeiten und bleiben, auch wenn sie woanders fünf Prozent mehr bekämen.

Sie hatten vorhin kurz erwähnt, was Sie für Unternehmen tun können, die in Batam produzieren wollen. Können Sie das konkretisieren? Warum sollte ein deutsches Unternehmen ausgerechnet auf Sie zukommen?

Weil ich ein Ingenieur bin, der die Gegebenheiten vor Ort sehr gut kennt.

Das heißt: Ich kann Machbarkeitsstudien durchführen. Außerdem kann ich als Auditor Ihre Prozesse und Anlagen überprüfen.

Ich kann aber auch Kontakte zu Personen herstellen, die Sie für Ihre Unternehmung brauchen.

Und ich kann Ihr Ansprechpartner vor Ort sein, den Aufbau Ihres Produktionsstandorts begleiten und den Kontakt halten.

Und schließlich kenne ich die lokalen Gepflogenheiten: an welchen Tagen man rund um das Fastenbrechen Geschäfte werden und an welchen nicht, wie man Einladungen ausspricht und viele andere kulturelle Sensibilitäten.

Die indonesische Arbeitswelt unterscheidet sich also sehr von der deutschen.

Ja, sicherlich. Aber das kann man auch nicht pauschalisieren.

Indonesien ist aus meiner Sicht sehr offen und durchlässig, übrigens auch in religiösen Dingen. Das Land ist ja riesig: Es ist ein Archipel mit 17.000 Inseln und hat mit einer Viertelmilliarde Einwohnern die viertgrößte Bevölkerung nach den USA.

Da sollte man sich nicht so sehr auf die Anekdoten von Personen verlassen, die auf irgendeiner Insel waren und dort angeblich Kannibalen angetroffen haben. Das ist so, als würde man aus einer Messerstecherei irgendwo in Norddeutschland schließen, dass alle Deutschen Messerstecher sind.

Das heißt: Indonesien ist ganz anders als Deutschland, aber auch die Unterschiede innerhalb des Landes sind sehr, sehr groß.

Und noch das Wichtigste zum Schluss: Wo geht man in Batam am besten essen? Ihr Geheimtipp?

Oh, es gibt sehr viele gute Fischrestaurants, alle an der Küste gelegen, mit herrlichem Blick auf den Sonnenuntergang oder eine Nachbarinsel. Man sucht sich die Fische aus dem Aquarium selbst aus und bekommt sie dann heiß auf den Tisch. Sehr zu empfehlen!

Vielen Dank für Ihre Zeit!

Sehr gerne.