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Wie gelingt ein internationaler Markteintritt für KMU?

Viele KMU sollten sich internationalisieren, um sich weiterhin im Markt behaupten zu können. Doch wie soll das gehen, wenn die nötigen Marktkenntnisse und Kapazitäten fehlen?

Wie gelingt ein internationaler Markteintritt für KMU?

Mehr denn je müssen kleine und mittlere Unternehmen (KMU) ein Geschäftsmodell entwickeln, das ihre Wettbewerbsposition stärkt und auch in Zukunft belastbar bleibt.

Grund dafür sind die bekannten globalen Herausforderungen mit teils disruptiven Verwerfungen. Zu nennen wären etwa

  • der Klimawandel infolge des Gebrauchs fossiler Energieträger,
  • Ressourcenknappheit infolge von Erschöpfung von Rohstofflagerstätten,
  • der Fachkräftemangel infolge des demografischen Wandels,
  • fragmentierte Lieferketten sowie
  • andere akute Krisen wie die SARS-CoV-2-Pandemie oder militärische Konflikte.

Paradoxerweise verschärft das am 01. Januar 2021 in Kraft getretene StaRUG diese Lage noch. Zumindest insofern es an das Management von Kapitalgesellschaften neue und verschärfte Anforderungen an eine strukturierte Krisenfrüherkennung und nachgelagerter Maßnahmen zum vorbeugenden Krisenmanagement stellt. Die Geschäftsführung muss deutlich umsichtiger und vorausschauender agieren und das bestehende Geschäftsmodell permanent auf den Prüfstein stellen.

Aus meiner Sicht sollten mittelständische Unternehmen ihre Wettbewerbsposition vor allem durch eine Reduktion von Abhängigkeiten stärken. Ich meine die Abhängigkeit von einzelnen Märkten und die von bestimmten Kundengruppen.

Eine Möglichkeit dazu ist eine Risikosteruung mittels Internationalisierung des Unternehmens.

Natürlich ist das ein großer, ein herausfordernder Schritt. Aber durchaus machbar, auch wenn man kein Großkonzern, mittelständischer Weltmarktführer oder Hidden Champion mit eigener Stabsabteilung ist, der mit großem Aufwand strategische (Vertriebs-)Ziele verfolgt.

Denn KMU können externe, praxiserfahrene Spezialisten hinzuziehen, die Vertriebsziele formulieren und Internationalisierungsstrategien entwickeln, um den internationalen Markteintritt strategisch zu planen.

Ob mit oder ohne externe Beratung: Als mittelständisches Unternehmen sollten Sie bei der Entwicklung und Umsetzung einer Internationalisierungsstrategie in vier Schritten vorgehen:

1. Analysieren Sie Ihre Positionierung im Ist und Soll

Der erste Schritt einer Internationalisierungsstrategie besteht in der Durchführung einer Ist-/ Soll-Analyse Ihrer Positionierung.

Die Ist-Analyse

Die Beschreibung des Ist-Zustandes Ihres Geschäftsmodells soll dessen Stärken und Schwächen herausarbeiten. Das kann z.B. eine gründliche SWOT-Analyse leisten, die sich sowohl auf quantitative als auch auf qualitative Aspekte stützt.

a. Quantitative Fragen

Der quantitative Teil einer Geschäftsmodell-Analyse stellt die Zahlen zur Kundenstruktur und zum Produktportfolio zusammen und bereitet so den qualitativen Teil der Analyse mit vor.

Zur Analyse der bestehenden Vertriebskanal- und Kundenstruktur empfehle ich eine klassische ABC-Klassifizierung, die zügig erstellt werden kann und bei der Entscheidungsfindung äußerst hilfreich ist.

Das Vorgehen ist bekanntlich wie folgt: Die Kunden (entweder als Gesamtheit oder je Land) werden entsprechend ihrer Jahres-Einkaufvolumina in EURO in drei Hauptkategorien eingeteilt: A sind die bedeutendsten Kunden, B sind wichtige Kunden (aber mit weniger Umsatz als A) und C sind bezogen auf Umsatz weniger wichtige Kunden. Falls eine höhere vierstellige Anzahl an Kunden vorliegt, sollte eine vierte Kategorie D für die Kleinstkunden (geringer Umsatz, wenige Bestellungen p.a.) hinzugefügt werden.

Die Analyse Ihres Produktportfolios kombiniert die Resultate einer auf Umsatz (oder Absatz) basierenden Pareto-Analyse mit den jeweiligen Deckungsbeiträgen:

Mittels der Umsatzanteile der einzelnen Programme bzw. Varianten werden die Produkte extrahiert, die 80 Prozent zum Gesamtumsatz beitragen. Zum Ranking dieser Produkte werden in die Tabelle die jeweiligen Deckungsbeiträge (Stufen 1 bis 4, soweit möglich) hinzugefügt.

b. Qualitative Fragen

Der qualitative Teil der Geschäftsmodell-Analyse sollte Aufschluss über mindestens drei Fragen liefern:

  1. Wo stehen wir im Markt?
  2. Was zeichnet uns – gerade als mittelständisches Unternehmen – aus?
  3. Welche Alleinstellungsmerkmale (USP) haben wir?

Die letzte Frage ist vielleicht am schwierigsten zu beantworten, da Unique Selling Points aus verschiedenen Bereichen gezogen werden können. Dazu zählen u.a.

  • Patente bzw. Innovationen bestehender Produkte,
  • hoher Kundennutzen (z.B. messbar in der Kundenzufriedenheit über Bewertungsportale)
  • Industriedesign oder Formfaktor,
  • Image und Lifestyle,
  • unschlagbares Preis-Leistungsverhältnis,

etc.

Die Soll-Analyse

Die Soll-Analyse definiert mittel- und langfristige Unternehmensziele in Abgleich mit den geplanten Innovationen und Investitionen.

Dabei dreht sich alles um zwei Kernpunkte:

  1. Welche Positionierung streben wir an?
  2. Und wie wollen wir das erreichen?

Punkt 1 beschreibt die Marktposition, die Sie als mittelständisches Unternehmen in den jeweiligen Auslandsmärkten erreichen wollen (und können). Ziele könnten z.B. eine führende Position hinsichtlich des Preises, bei Innovationen oder unter konkurrierenden Marken sein, weitere Ziele die Etablierung in der Nische oder in der Breite.

Punkt 2 betrifft dagegen die Strategien zur Umsetzung jener Ziele. Im Mittelpunkt steht dabei die Bewertung verschiedener, auf die jeweiligen Auslandsmärkte abgestimmte Markteintrittsformen.

Benchmark werden in jedem Fall die Anforderungen vonseiten Ihrer Interessenten und Kunden sein. Deshalb sollten Sie frühzeitig entsprechende Kundenbefragungen durchführen.

2. Führen Sie eine Markt- und Wettbewerbsanalyse durch

Der zweite Schritt auf dem Weg zum internationalen Markteintritt besteht in einer Markt- und Wettbewerbsanalyse. Ziel ist der Abgleich der eigenen Positionierung im Ist und im Soll mit dem nationalen und internationalen Wettbewerb.

Anerkannte Tools wie die Portfolio Matrix der Boston Consulting Group oder das McKinsey-Portfolio sind hier nützlich. Solche Tools fassen Resultate in einer übersichtlichen Struktur zusammen und unterstützen so die Entscheidungsfindung.

a. Ländercluster bilden

Zum Abgleich der eigenen Positionierung mit dem internationalen Wettbewerb sollte man zunächst einmal Ländercluster bilden. Als Cluster kämen etwa Zentraleuropa, Südeuropa oder Osteuropa, die Angelsächsischen Märkte oder China in Frage, wobei je nach Bedarf weitere und/ oder andere Einteilungen sinnvoll sind.

b. Recherche

Sodann sollte man eine detaillierte Markt- und Wettbewerbsrecherche durchführen, die unterschiedliche Faktoren erfasst. Zu den wichtigsten Faktoren zählen sicherlich:

  1. Markteintrittsbarrieren,
  2. die jeweiligen Bedarfe von Kundengruppen,
  3. nötige Investitionen sowie
  4. einschlägige Megatrends.

1. Markteintrittsbarrieren

In die SWOT-Analysen der Ländercluster müssen auch die Markteintrittsbarrieren mit einfließen, insbesondere

  • Allgemeine Rahmenbedingungen (Gesetze, Vorgaben, Steuern, ESG-Vorgaben, Stabilität der Wirtschaft, etc.)
  • Zölle (Einfuhrzölle, Strafzölle, Anti-Dumping, etc.)
  • Incoterms (Zahlungs- und Lieferbedingungen, Gefahrenübergang, Schiedsgerichte)
  • Zulassungen (Zertifizierungen, Registrierungen, Garantie, Gewährleistung etc.)
  • der Marken- und Patentschutz
  • Normen (DIN, CE, ANSI/ USA, SAC/ China etc.)
  • Arbeitsrechtliches (Arbeitsverträge, Arbeitsschutzgesetze, Entlohnung, Kündigungsfristen, Diskriminierungsverbote, Gleichstellungsgebote etc.)
  • Servicelevels (mehrsprachige Auftragsbearbeitung, Erreichbarkeit, Reklamationsabwicklung, EDI Anbindung, Omni Channel-Fulfillment, Kundendienst vor Ort etc.)

u.v.a.m.

2. Bedarfe von Kundengruppen

Die SWOT-Analysen der Märkte, die als Teil der Internationalisierung im Ausland anvisiert werden, müssen auch eine genaue Bedarfsanalyse der jeweiligen Kundengruppen umfassen, wobei die Kundengruppen auf die einzelnen Vertriebskanäle zu verteilen sind.

3. Nötige Investitionen

In der SWOT-Analyse sollten außerdem die für den Markteintritt in den Auslandsmarkt nötigen Investitionen berücksichtigt werden, etwa für

  • Personal (Vertrieb, Auftragsbearbeitung, After Sales-Service, Buchhaltung etc.)
  • Verpackung (Sonderverpackungen für See- und Luftfracht, Diebstahlschutz etc.)
  • Marketing (Website und Druckmaterial in Landessprache, landesspezifische Werbung und Kundenansprache, Social Media-Kommunikation etc.)
  • Produkte (Sonderlösungen, Varianten für den jeweiligen Auslandsmarkt etc.)

und dergleichen mehr.

4. Einschlägige Megatrends

Und schließlich sollte man auf einer Zeitachse alle Megatrends abbilden, die voraussichtlich das bestehende bzw. künftige Geschäftsmodell beeinflussen, ebenso alle zum Zeitpunkt der Konzepterstellung absehbaren Disruptionen und Veränderungen der politischen Rahmenbedingungen.

Dabei sind die Auswirkungen solcher Megatrends auf strategische Ziele, auf Märkte sowie auf Kundenbedürfnisse quantitativ und qualitativ zu erfassen, um sie mit der Internationalisierungsstrategie abzugleichen.

c. Ein iterativer Prozess

Die Recherchen zum Markt und zum Wettbewerb sind ein iterativer Prozess, der die geplante Produkt-, Preis-, Service- und Wachstumsstrategie des KMU einer ständigen Prüfung und Anpassung unterzieht.

Dennoch muss ein solcher Prüfprozess keine operativen Kapazitäten dauerhaft binden. Nötig sind lediglich Nachhaltigkeit durch die Geschäftsleitung und ein monatlicher Abgleich.

Letzterer kann schon mittels einer in Excel aufgebauten und individuell angepassten Check-Liste fortgeschrieben werden. Aber natürlich kann man das auch mittels eines spezialisierten Tools wie z.B. Falcon organisieren und nachhalten.  

Für die Fortschreibung des Prüfprozess sollte die interne Marketingabteilung des KMU zuständig sein. Fehlen die Kapazitäten, so kann das ein Externer durchführen, die regelmäßig die Aufgabe übernimmt.

3. Definieren Sie Ihre Entwicklungsstrategie

Im zweiten Schritt hatten Sie das Potenzial Ihrer Zielmärkte im Abgleich mit dem relevanten Wettbewerb einer Analyse unterzogen. Auf dieser Basis können Sie im dritten Schritt eine Entwicklungsstrategie zur Realisierung Ihrer anvisierten Positionierung im jeweiligen Auslandsmarkt definieren. Bei der Definition dieser Entwicklungsstrategie, die auf mehrere Jahre angelegt ist, sollten Sie in drei Schritten vorgehen:

a. Die Umsatz- und Ergebnisziele als absolute Zielgröße festsetzen

Setzen Sie zunächst die absoluten (nicht landerspezifischen) Umsatz- und Ergebnisziele fest. Dazu brechen Sie die in der Gesamtstrategie Ihres Unternehmens hinterlegten Umsatz- und Ergebnisziele in Inland und Ausland herunter. Die Geschäftsleitung kann diese dann als Meilensteine in Form von absoluten Zielgrößen notieren.

b. Zielländer für den Markteintritt definieren

Definieren Sie in einem zweiten Schritt die Zielländer für den Markteintritt, indem Sie die Auslandsziele mit den SWOT-Analysen der Ländercluster spiegeln.

Ein nützliches Hilfsmittel zur Priorisierung der Zielländer ist die bekannte Action Priority-Matrix. Unterteilen Sie die Matrix entlang einer Impact- und einer Aufwands-Achse in vier Cluster:

  1. der Quick Wins (großes Potenzial, wenig Aufwand),
  2. die Major Projects (großes Potenzial, hoher Aufwand),
  3. der Fill-Ins (geringes Potenzial, geringer Aufwand) und schließlich
  4. der Thankless Tasks (geringes Potenzial, hoher Aufwand)

Tragen Sie die Auslandsmärkte, die für einen Markteintritt in Frage kommen, in die entsprechenden Felder ein, indem Sie die Auslandsmärkte entsprechend des Impacts und des Aufwandes eines Markteintritts kategorisieren.

Den Impact und den Aufwand können Sie mit konkreten Daten bestimmen. Naheliegend wäre z.B. eine Quantifizierung des Impacts als Umsatzpotenzial in Mio. EURO, die des Aufwandes in Mio. EURO oder auch im voraussichtlich nötigen Zeitraum. Alternativ können Sie Impact und Aufwand von Marktkennern qualitativ einschätzen lassen.

Für einen Markteintritt kommen nur die beiden ersten Kategorien in Betracht, also die Quick-Wins und die Major Projects:

  • An erster Stelle stehen natürlich die als Quick-Wins oder Low-Hanging- Fruits kategorisierten Auslandsmärkte, die trotz geringen Aufwandes große Umsätze bzw. Ergebnisse versprechen.
  • An zweiter Stelle kommen die Major Projects-Märkte mit hohem Umsatzpotenzial, die aber mit hohen Kosten und/ oder großen Eintrittsbarrieren verbunden sind. Solche Märkte sind aber oft nur mittels eigens dafür entwickelter Sonderlösung erschließbar. Dafür muss man einen langen (finanzierllen) Atem und Durchhaltevermögen haben.
  • Aussortieren können Sie dagegen die beiden anderen Cluster, die wegen ihres geringen Potenzials bei ggf. zu hohem Aufwand für einen Markteintritt nicht in Frage kommen.

c. Eine Rangfolge der Zielmärkte bestimmen

Im letzten Schritt erstellen Sie eine Rangfolge der Zielmärkte, indem Sie die Märkte der ersten Kategorie, die der Quick-Wins, priorisieren.

Kriterien für eine Priorisierung ergeben sich aus einer Transaktionskostenanalyse, also einer finalen Gegenüberstellung von Kosten und Nutzen bzw. Umsatz- und Ergebnispotenzial der einzelnen Zielländer. Auf Basis dieser Daten kann die Geschäftsführung dann die finale Entscheidung über einen Eintritt in den Zielmarkt und damit die Internationalisierung treffen.

4. Setzen Sie Ihre Markteintrittsstrategie um

Bei der Umsetzung Ihrer Markteintrittsstrategie empfiehlt sich, mittels eines Stufenplans vorzugehen, der mit unterschiedlichen Markteintrittsformen arbeitet.

Ein Beispiel:

a. Eine Basis in Zentral- und Westeuropa schaffen

Zuerst gilt es, in Zentral- und Westeuropa eine solide Basis mit mindestens 30 Prozent Exportanteil zu schaffen. Der Schritt über Ihren Heimatmarkt hinaus erfordert zwar bereits eine Anpassung und Erweiterung der Vertriebsorganisation, des Kundenservices und der (internationalen) Auftragsbearbeitung, aber innerhalb der EU sind die Markteintrittsvoraussetzungen transparent und die Markteintrittskosten überschaubar.

b. Europäische Expansion

Die Expansion nach Osteuropa erfordert eine Sprungbrett-Strategie. Der Markteintritt in Südeuropa dient als Vorbereitung für den Sprung nach Lateinamerika. In Osteuropa können Konzepte für Emerging Markets (Schwellenländer wie China, Indien, Indonesien etc.) getestet werden.

c. Schlüsselmärke in Übersee erschließen

Schließlich erfolgt der Markteintritt in den großen Schlüsselmärkten wie den USA, China, Indien oder Brasilien. Das wird in der Regel zuerst über Vertriebspartner vor Ort geschehen. Wenn die Vertriebsstrukturen aufgebaut sind und die Marke etabliert ist, kann man den nächsten Schritt einer eigenständigen Vertriebsorganisation gehen.

Fazit

Der Eintritt in internationale Schlüsselmärkte bietet vielfältige Absatzchancen. KMU, die diese nutzen, können ihre Position stärken, indem sie Abhängigkeiten reduzieren: von einzelnen Märkten, aber auch von singulären Kundengruppen.

Allerdings sollten die Chancen und Risiken eines solchen Vorhabens im Ausland genau abgewogen werden. Denn ein internationaler Markteintritt kann zumal einem KMU nur mit einer weitsichtigen und langfristig angelegten Strategie gelingen.

Fehlen die (v.a. personellen) Ressourcen, um eine solche Markteintritts-Strategie selbstständig zu entwickeln und umzusetzen, können mittelständischen Unternehmen mit einem Experten flexibel und projektbezogen zusammenarbeiten, sei es in einzelnen Phasen oder während der Umsetzung insgesamt.