Wie richtet man ein B2B-Unternehmen auf den Vertrieb aus?
Auch im produzierenden Gewerbe verändert sich der Vertrieb derzeit rasant: Neue Vertriebskanäle entstehen, während der klassische Außendienst an Bedeutung verliert. Doch sich in dieser Situation nur auf den Vertrieb zu konzentrieren, sei verkürzt, meint unser Sales-Spezialist. Es komme vielmehr darauf an, die Organisation als Ganze auf Markt und Kunden auszurichten. Ein Gespräch über Sales Excellence, Seriosität bei Zielvorgaben und warum Interim Mandate immer auch ein Lernprozess sind.
Sales Excellence im B2B-Bereich: Wie Sie Ihr Unternehmen auf den Vertrieb ausrichten und mehr Umsatz machen
Schön, dass Sie heute Zeit für ein Interview zum Thema Sales Excellence gefunden haben! Sie sind ja als Berater und Interim Manager vor allem in produzierenden Unternehmen tätig. In welchen Situationen werden Sie typischerweise gerufen?
Das ist ganz unterschiedlich. Es gibt ja derzeit gerade im Vertrieb viele Veränderungen, aus verschiedenen Gründen:
Es gibt zum Beispiel neue Anforderung im Vertrieb in Bezug auf Schnelligkeit und Verfügbarkeit.
Hinzu kommen neue Vertriebskanäle: Denken Sie an die Ausschreibungsplattformen oder Vergabeplattformen in der Automobilindustrie. Allgemein wird der Multi-Channel-Vertrieb wird im B2B-Bereich zunehmend wichtig.
Und es gibt neue Wettbewerber. Während der Pandemie waren ja persönliche Besuche beim Kunden nicht möglich. Trotzdem ist es nicht zu einem Einbruch der Nachfrage bzw. der Aufträge gekommen – zur Überraschung vieler, sodass sich viele Unternehmen die Frage gestellt haben, ob der klassische reisende Außendienst mit kostenintensiven persönlichen Besuchen noch zeitgemäß ist. Gleichzeitig hat in vielen Bereichen die Akzeptanz von Online-Anbietern stark zugenommen.“
Das heißt: Die Bedeutung des klassischen Vertriebs nimmt ab, in vielen Fällen wird dessen direkter Einsatz ganz vermieden…
… sodass die Vertriebsorganisation neu ausgerichtet werden muss…
… ja, genau, hier muss die Vertriebsorganisation neu ausgerichtet werden, aber Auftraggeber sind auch Unternehmen, wo der Vertrieb mitunter noch klassisch als „freischaffender“ Künstler unterwegs ist: Auch da werde ich gerufen.
Dabei geht es immer darum, die Performance des Vertriebs zu verbessern.
Woran es oft fehlt, ist Transparenz: Transparenz über die Effizienz und Wirtschaftlichkeit des Vertriebs, über das Verhältnis von Ressourceneinsatz und erzielten Ergebnissen. Grund ist oft, dass keine oder suboptimale CRM-Systeme wie Pipedrive oder eins der vielen anderen benutzt werden. Das ist nicht nur bei kleineren Unternehmen so. Das habe ich auch schon beim Mittelstand erlebt. Dabei gibt es viele CRM-Systeme, die helfen, mit Schnelligkeit und Transparenz die Vertriebsprozesse und den Kundensupport zu optimieren und damit jedem Kunden ein individuelles Erlebnis zu schaffen.
Ich komme häufig in die Situation, dass es in den Unternehmen eine Vielzahl von Beobachtungen, Erkenntnissen und Ansätzen im Sinne eines „Man-müsste-mal“ gibt.
Man tut sich allerdings häufig schwer in der Umsetzung. Einerseits möchte man das Problem insgesamt angehen, andererseits akzeptieren leider einige Vertriebsabteilungen – das muss man sagen – nicht immer den Ausbau eines Vertriebs-Controllings, weil eben viele Vertriebler primär darin noch ein Kontrollinstrument sehen.
Immer wenn ein Unternehmen die Performance seines Vertriebs optimieren will: Dann kommt man auf Sie zu.
Richtig, ja.
„Sales Excellence bedeutet für mich, dass die ganze Organisation auf den Markt und die Kunden ausgerichtet werden muss.“
Sie sagten vorhin, der Einsatz eines klassischen Vertrieblers werde zunehmend vermieden. Warum ist das so?
Ja, der klassische Vertriebler von früher, der sozusagen als freischaffender Künstler unterwegs war, da herrschte wenig Transparenz, da sind wenig Kundeninformationen vom Vertrieb ins Unternehmen getragen und damit gearbeitet worden worden.
Der hat sich, wenn Außendienst anstand, früh am Tag Gedanken gemacht: „Wo habe ich heute Termine? Wo könnte ich eigentlich mal wieder vorbeischauen?“
Das war ziemlich improvisiert, wenig methodisch.
Und da ist es natürlich auch häufig zu der Situation gekommen, dass man erstmal seine Stammkunden besucht hat, um seine Abschlussquote auch nachweisen zu können.
Aber ob das dann auch letztendlich effizient war und wie das zum Erfolg des Unternehmens beigetragen hat, das stand auf einem anderen Blatt.
Es fehlt also an einer effizienten Vertriebssteuerung und das Controlling müsste besser sein.
Genau.
Eine Alternative ist Ihrer Erfahrung nach Sales Excellence. Was verstehen Sie darunter?
Also, ich bin der Meinung, dass in diesem Kontext die herkömmliche separate Betrachtung der einzelnen Unternehmensbereiche überholt ist. Sales Excellence bedeutet für mich, dass die ganze Organisation auf den Markt und die Kunden ausgerichtet werden muss.
Das heißt nicht, dass der Vertrieb die Richtung vorgibt, sondern dass die gesamte Organisation an einem Strang zieht – mit dem Ziel, die Leistungen des Unternehmens erfolgreich zu vermarkten.
Ein Beispiel: Die Bereiche Produktion und F&E spielen für mich im Zusammenspiel mit dem Vertrieb eine ganz entscheidende Rolle, weil von hier aus wichtige Impulse ausgehen: Impulse zur Weiterentwicklung der Produktausrichtung, zur Verbesserung der Verzahnung von Kunden- und Applikationsverständnissen, aber auch durch eine rasche und perfekte Bearbeitung von Reklamationen. Nötig ist dafür ein funktionsübergreifender Dialog.
Auch das Thema Rechnungsstellung ist ein Faktor, weil dort digitale Schnittstellen zum Kunden hergestellt werden. Dieser Prozess sollte daher so gestaltet werden, dass er reibungslos, fehlerfrei und effizient abläuft.
Ebenso ergänzende Services für Kunden, etwa aus dem Bereich Technik, wie Wartungen oder zusätzliche Dienstleistungen.
All das und noch mehr kann sich auf die Performance des Vertriebes bzw. des Unternehmens auszahlen und sollte berücksichtigt werden.
Sie arbeiten also nicht auf einer Abteilungsebene, sondern setzen von vornherein oben an, bei der Geschäftsführung.
Ja, das ist richtig – zumindest betrachte ich keine Abteilung isoliert und exklusiv, sondern versuche immer, sie alle in den Blick zu bekommen.
Gibt es Ihrer Erfahrung nach bestimmte Bereich, die hier besonders wichtig sind, oder gibt es grundsätzlich überall Potenzial?
Nun, die Potenziale sehe ich zunächst einmal in den Prozessen, nicht in bestimmten Abteilungen.
Was die Mitarbeiter angeht, die muss man mitnehmen, denn in den Mitarbeitern liegt ja der wesentliche Wert eines Unternehmens. Das heißt: Man muss mit den Menschen Diskussionen führen, Überzeugungsarbeit leisten, dass es immer Verbesserungspotentiale gibt. Sich über Ziele verständigen, Lösungen erarbeiten und die Umsetzung aktiv begleiten.
Häufig ist es auch so, dass man dann einfach mal loslegt, etwas erfolgversprechendes Neues ausprobiert und aus den gemachten Erfahrungen Erkenntnisse ableitet.
Ja, ich denke, das ist im Grunde immer so: Man weiß ja nie, was auf einen zukommt und wo es dann eigentlich hakt.
Sales Excellence verspricht mehr Absätze und damit mehr Umsätze. Können Sie eine Größenordnung nennen?
Nein, das wäre unseriös!
Es gibt ja verschiedene Kennzahlen, mit denen man arbeiten kann. Wenn ich zum Beispiel die Anzahl der Angebote und deren Volumen in den Blick nehme: Da ist es mir auch schon gelungen, die Anzahl der Angebote zu verdoppeln. Wenn diese Angebote effizient verfolgt werden, resultieren dann auch mehr Aufträge.
Aber das kann man pauschal nicht sagen, das ergibt sich situativ.
Grundsätzlich geht es immer darum, durch eine konsequente Verfolgung dieser Themen diesen Prozess zu optimieren: Es gibt einen Lead, der wird zur Opportunity, der wird zum Angebot, und das wird am Ende zum Auftrag – also hier gibt es ganz unterschiedliche KPIs, wie Erfolgsquoten, Benchmarks bei Preisen und Orderkosten , die man als Zielgrößen heranziehen kann. Das kann man pauschal nicht sagen.
Dass sich aber der Prozess verbessert, das kann ich sagen, das kann man messen. Aber es ist eben immer nur die Frage nach konkreten Zielvorgaben.
Wie verständigen Sie sich über Zielvorgaben? Haben Ihre Kunden zu Beginn eines Projekts klare Vorstellungen davon, was zu tun ist?
Da gibt es unterschiedliche Schwerpunkte, die natürlich gesetzt werden. Diese stehen nicht von vornherein fest. Die müssen erst definiert werden, je nach Unternehmen, Situation und Zielen.
Ein Thema – und das haben wir noch gar nicht angesprochen – ist das Pricing. Da geht darum, eine Systematik in die Preise reinzubringen, die man dem Kunden nennt. Da geht man oft nicht systematisch an die Sache ran.
Man schaut noch nicht: „Ok, welche Kundengruppe habe ich da eigentlich? Und in welcher Situation befinden wir uns konjunkturell oder saisonal oder in anderer Hinsicht?“ Aber davon hängt viel ab.
Ein anderes Riesenthema ist die Potenzialausschöpfung bei Kunden. Es ist einfach ein Unterschied, ob Sie in Ihrer Kategorie bei Ihren Kunden als Lieferant nur den zweiten oder dritten oder vielleicht sogar nur den vierten Platz haben, aber keine Kunden, bei denen Sie die Nummer 1 sind. Da ist ein schönes Potenzial, das Sie heben können.
Wenn Sie auf Platz 2 oder 3 sind, dann setze ich mich vor einem Projekt mit meinem Mandanten bzw. dessen Vertriebsabteilung zusammen und diskutiere: „Ok, was müssen wir eigentlich tun, um die Nummer 1 zu werden?“ Aber das ist von Unternehmen zu Unternehmen anders.
Das Gleiche gilt auch bei Vertriebskanälen, die man vielleicht bespielen will, sodass man sagt: „Ok, Digitalisierung hat bei uns noch nicht stattgefunden. Wie können wir uns da aufstellen?“
Der Schwerpunkt, die Richtung ist schon klar.
Aber der Weg dorthin steht nicht von vornherein fest. Der muss erst definiert werden, je nach Ziel, Unternehmen, Situation. Das ist immer anders.
„Für mich ist ein Mandat immer auch gleichzeitig ein Lernprozess“
Sie kommen ursprünglich aus dem Vertrieb, haben aber auch einen starken technischen Hintergrund. Was macht Ihnen, wenn Sie im Mandat sind, am meisten Spaß?
Ich glaube, dass die eigentliche Ausbildung erstmal eine untergeordnete Rolle spielt.
Sicher: Man bekommt dadurch ein Rüstzeug mit, aber entscheidend sind die Erfahrungen, die man macht, vor allem im Hinblick auf die erlernten Methoden und Werkzeuge. Die muss man situativ adaptieren können, um sie erfolgreich anzuwenden.
Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen: Was mir gefällt, ist einfach die Zusammenarbeit mit Menschen, das sind immer besondere Erfahrungen, die ich dort machen kann.
Und mir macht es natürlich Spaß, Entwicklungen und deren Auswirkungen quantitativ zu erfassen und zu bewerten und dann mit den Leuten zu diskutieren, die das Unternehmen sehr gut kennen. Das ist für mich sehr wichtig.
Für mich ist ein Mandat immer auch gleichzeitig ein Lernprozess, weil man einfach neue Umgebungen, neue Geschäfte, neue Märkte, neue Kunden kennenlernt – und das ist für mich eigentlich das Spannende an der Aufgabe.
Es geht Ihnen also darum, zu erleben, wie sich Zahlen in Maßnahmen konkretisieren, die dann reale Auswirkungen haben.
Ja, genau so könnte man das sagen.
Wenn ein Unternehmen sich im Sinne der Sales Excellence neu ausrichten möchte: Wozu würden Sie raten? Was wäre das Ihrer Meinung nach Allerwichtigste?
Das Wichtigste ist, sich zunächst einmal selbst, als Unternehmen, zu hinterfragen:
Was hat uns in der Vergangenheit erfolgreich gemacht, was hat zu Misserfolgen geführt, was waren vielleicht Irrwege?
Und wie sieht es mit der Gegenwart aus? Wie stehen wir heute da?
Und wie werden wir in der Zukunft dastehen, falls wir uns so weiterentwickeln, wie wir es bisher vorhatten?
Dabei sollte man sicherlich berücksichtigen, wie die Unternehmensumwelt beispielsweise in zehn Jahren aussieht – Megatrends, wie Nachhaltigkeit und Digitalisierung spielen da eine große Rolle – sich aber auch klar werden über die Erfolgsfaktoren der eigenen Kunden: Was macht die eigentlich erfolgreich und was brauchen diese und vielleicht auch zukünftige Kunden für ihren Erfolg in den nächsten Jahren?
Als zweites sollte man dann die eigene Organisation hinterfragen. Denn oft geht man da nicht systematisch an die Sache ran, man überlegt sich nicht: „Ok, welche Kundengruppen habe ich da eigentlich?
Das wären in meinen Augen die beiden Punkte, an denen man ansetzen sollte, wenn man sein Unternehmen als Ganzes auf den Vertrieb ausrichten möchte.
Danach käme dann zum Beispiel die Frage nach strategischen Partnerschaften – auch ein ganz, ganz wichtiger Punkt, weil viele Dinge – denken Sie etwa an neue Services, die auch zum Erfolg des Kunden beitragen können – mitunter nur schwer aus der eigenen Organisation heraus angeboten werden können und es in diesem Bereich vielleicht schon richtige Profis gibt.
Und diese strategischen Partnerschaften können wieder zu neuem Geschäft führen.
Vielen herzlichen Dank für Ihre Zeit.
Sehr gerne!