Restrukturierung des Customer Services in der Medizintechnik
Krisenmanagement | Automatisierung | Digitalisierung
Das Projekt in Stichworten:
- Restrukturierung des Customer Services in der Medizintechnik
- Nach Ist-Analyse Projektplan und Meilensteine entwickelt
- Quick win durch vorübergehende Auslagerung des Callcenters an einen Dienstleister
- Geschäftsprozesse für jeden Mitarbeiter sekundengenau dokumentiert und ausgewertet
- Konkrete Schritte zur Restrukturierung entwickelt und mit allen Instanzen abgestimmt
- Backlog auf null abgebaut und Erreichbarkeit des Customer Service signifikant gesteigert
- Alte Technik und Matrixorganisation verhindern vorerst anzustrebende Digitalisierung
Der Auftraggeber des Interim Managers war ein amerikanischer Konzern im Bereich hoch entwickelter Medizintechnik mit einem Jahresumsatz von 32 Mrd. USD (2019). Weltweit gehört das Unternehmen zu den größten der Branche und im deutschsprachigen Gebiet (DACH) ist es als Technologieführer die Nummer 1 im Verkauf von Hightech-Implantaten an Krankenhäuser.
2017 wurde nach der erfolgreichen Übernahme eines großen Mitbewerbers das Business der beiden Unternehmen verschmolzen - das Geschäft entwickelte sich stetig weiter. Leider wuchsen die Strukturen des Customer Service nicht mit – und verursachten schließlich Verluste in Millionenhöhe.
Nach mehreren Versuchen der Restrukturierung entließ die Konzernzentrale dann Manager in mehreren Ebenen des Customer Services und übergab Krisenmanagement sowie Restrukturierung in die Hände des Interim Managers.
Nach Ist-Analyse Projektplan und Meilensteine entwickelt
Die Ist-Analyse der Arbeit im 23-köpfigen Team des Customer Service ergab ein dramatisches Bild. Das Customer Service Team war nicht ausreichend erreichbar. Das ging unter anderem auf einen hohen Krankenstand mit zahlreichen – schlecht ausgebildeten und wenig motivierten – Teilzeitkräften zurück. Darüber hinaus standen den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern nur unzureichende Arbeitsmittel wie Prozesse, Tools oder Dokumentationen zur Verfügung. Zudem war die Führung des Customer Services weder präsent noch wirksam.
Nach der Analyse entwickelte der Interim Manager Meilensteine für einen Projektplan, der folgende Ziele erreichen sollte:
- Wiederherstellung der geregelten Abwicklung des operativen Geschäftes,
- Hohe Erreichbarkeit und hohe Kundenzufriedenheit
- Erhöhung des Automatisierungs- und Digitalisierungsgrades
- Kostenreduktion
- Dokumentation
Quick Win durch vorübergehende Auslagerung des Callcenters an einen Dienstleister
Die desaströse Lage im Customer Service erforderte eine umfassende Restrukturierung, die unter dem hohen Umsatzdruck aus dem Inbound- und Outbound-Tagesgeschäft nicht zu realisieren gewesen wäre. Daher entschied der Interim Manager in Absprache mit dem Auftraggeber, zunächst einen externen Callcenter-Dienstleister zu beauftragen, der nach kurzer intensiver Schulung die einfachen Prozesse für eine mittelfristige Übergangszeit übernahm. Dieser „Quick-Win“ schaffte die notwendige Luft, um mit den Mitarbeitern das Restrukturierungsprojekt zu starten – und führte zur kurzfristigen Reduzierung des Backlogs und zur Verbesserung der Erreichbarkeit.
Geschäftsprozesse für jeden Mitarbeiter sekundengenau dokumentiert und ausgewertet
Um eine valide Aussage darüber treffen zu können, wie viele Mitarbeiter für den reibungslosen Betrieb des Customer Service notwendig sind, wurde für jeden Mitarbeiter jeder Geschäftsprozess sekundengenau dokumentiert, summiert und statistisch ausgewertet. Die kollaborativen Prozesse dokumentierten der Interim Manager und die Teams in prozessualen Swimlanes. Die komplexen Arbeits- und Dokumentationsschritt lieferten umfangreiche statistische Daten zur Entwicklung der Sollprozesse und halfen, für das Projekt wichtige Fragen zu beantworten?
- Was sind die IST-Prozesse in dem Customer Service
- Wie viele Full-Time-Equivalente (Vollzeitstellen/Mitarbeiter) werden für alle Prozesse benötigt?
- Welche Prozesse und Strukturen sind gut, welche schlecht oder ineffizient?
- Welche Tools sind verbesserungswürdig (Telefon, ERP-/ CRM-/ Dokumentations-/ Software)?
Erschwerend kam in diesem Mandat dazu, dass die Supervisoren (Teamleiter) ihrer Führungsaufgabe nicht gerecht werden konnten, da sie ständig neue „Brände austreten mussten“. Die unzureichende Qualität der Arbeit des Customer Services komplizierte die ohnehin komplexe Arbeit an erfolgreichen B2B-Beziehungen im Gesundheitswesen. So sind beispielsweise Kanäle wie Patienten, Ärzte, Kassen und Versicherungsträger zu bearbeiten. Die entsprechenden Prozesse und das Prozessdesign sind sehr vielfältig und nur mit tiefem Branchen Know-how zu erfassen.
Konkrete Schritte zur Restrukturierung entwickelt und mit allen Instanzen abgestimmt
Unter Berücksichtigung der Sollvorgaben der Geschäftsleitung, der Integration des Außendienstes, der Stakeholder der einzelnen Vertriebsdivisionen nebst Marketing, HR und Betriebsrat erarbeitete der Interim Manager neue Prozesse. Durch eine frühzeitige und umfassende Einbeziehung des Personals in den Changeprozess wirkte er zugleich Widerständen entgegen. Die Eckpunkte zur Zielerreichung umriss der Interim Manager wie folgt:
- Aufstockung des Personals im Customer Service um 15 FTE´s (Vollzeitstellen) plus CS-Leiter
- Auflösen der starren Frontoffice/Backoffice Struktur hin zu cross-funktionalen selbst- regulierenden Teams
- Trainings und Schulungskonzept
- Homeoffice Konzept (z.B. für Mütter)
- Erneuerung/Modernisierung der Telefonanlage hin zum Contact-Center
- Verbesserung der DMS (Dokumenten-Management-Software) und anderer Software
- Verbesserung der Kommunikation und der Abteilungskultur
- Aus- und Weiterbildung der Führungskräfte (Supervisor/Teamleiter)
- Rückführung der ausgelagerten Prozesse des externen Callcenter-Dienstleisters
- Dokumentierung der Soll-Prozesse (langfristig SOP´S).
Backlog auf Null abgebaut und Erreichbarkeit des Customer Services signifikant gesteigert
Nach 9 Monaten des Interim Mandates waren wichtige Eckpunkte der Restrukturierung erreicht.
Der tägliche Backlog war auf 0 gesunken. Die Erreichbarkeit, also das Servicelevel, wurde trotz mangelnder Telefonie-Technik auf 85 Prozent gesteigert. Die neue Teamstruktur begann sich zu etablieren. Durch intensive Schulungen und den positiven Impact auf die Abteilungskultur sank der Krankenstand im Customer Service von 35 auf unter 15 Prozent. Ein Teil der geplanten neuen Mitarbeiter konnte bereits rekrutiert werden und der Interim Manager übergab das Projekt an einen neuen festangestellten Direktor Customer Service.
Alte Technik und Matrixorganisation verhindern vorerst anzustrebende Digitalisierung
Als Herausforderung bleibt die intensive Digitalisierung dieser Abteilung. Interim Manager und Unternehmen stellten Einvernehmen darüber her, dass hier Handlungsbedarf besteht. Wichtige Verbesserungen im Customer Service konnten während des Mandats nicht umgesetzt werden, weil konzernweit verwendete Technik oder Software (insbesondere Telefontechnik und ERP-System) das verhinderten. Dadurch entsteht nach wie vor erheblicher personeller Mehraufwand, der einer Kostenreduktion (Personalkosten) entgegensteht. Auch konnten abteilungsübergreifende Prozesse nur bedingt angepasst und verbessert werden.