Wie schaffe ich den Einstieg in den Medizintechnik-Markt?
Der Markt für Medizintechnik bietet ambitionierten Unternehmen viele Chancen, doch einen Marktzugang zu finden, ist beileibe nicht trivial – auch wegen der nicht geringen Besonderheiten von Medizinprodukten. Sie wollen sich die Margen- und Wachstumsstärke dennoch zunutze machen? Unser Experte erklärt, worauf es ankommt.
1. Identifizierung Sie Chancen der MedTech-Marktentwicklung
Wer sein Unternehmen weiterentwickeln will, sollte ernsthaft einen Einstieg in den wachstums- und margenstarken Medizintechnik-Markt ins Auge fassen, der beste Aussichten auf eine Steigerung des Unternehmenswerts bietet, aber auch die Reputation des Unternehmens im In- und Ausland stärken kann.
Dabei ist der MedTech-Markt schon ziemlich ausdifferenziert und die Medizinprodukte entsprechend vielfältig. Also kommt es zunächst einmal darauf an, das Marktsegment zu identifizieren, auf dem ein Markteinstieg erfolgsversprechend ist.
Verarbeiten Sie bspw. Kunststoff, so könnten Sie in den Markt für dispossible Medizinprodukte wie Gesichtsmasken eintreten, sind Sie dagegen ein metallverarbeitender Betrieb, wäre ein Einstieg als Lieferant für Dreh- und Frästeile möglich, und Software-Unternehmen können den Einstieg im Datenerfassungs- oder Vernetzungssegment des „Internet of Things“ finden.
Dazu ist eine detaillierte Analyse Ihres Unternehmens nötig, die unter anderem Know-how, Prozesse, Mitarbeiterstruktur, Maschinenpark etc. in den Blick nimmt. Bei dieser Analyse würde nicht nur deutlich, welches Segment des Medizintechnik-Marktes passen würde, sondern auch der Aufwand, den Sie für einen Markteintritt betreiben müssten.
2. Entwickeln Sie ein tragfähiges Geschäftsmodell
Haben Sie erst einmal ein Marktsegment identifiziert, auf dem aktiv zu werden sich lohnen würde, können Sie sich an die Entwicklung eines zukunftsweisendes Geschäftsmodells machen.
Dazu müssen Sie sich zunächst einmal grundsätzlich überlegen, ob Sie als Zulieferer für andere Hersteller oder als Inverkehrbringer eigener Lösungen aktiv werden wollen. Eine gewisse Besonderheit des Medizintechnik-Markts sind nämlich die gesetzlichen Regularien, denen Medizinprodukte unterworfen sind.
Als Zulieferer müssen Sie lediglich die Maßnahmen des Regelwerks ISO 13485 umsetzen, die auf der ISO 9001 aufbaut und Regelungen zur Produktsicherheit, Produktwirksamkeit und zum Schutz patientenbezogener Daten enthält.
Wenn Sie dagegen eigene Innovationen und Lösungen in Verkehr bringen wollen, müssen Sie außerdem die EU-Medizinprodukteverordnung, die „Medical Device Regulation“ (MDR), umsetzen, was allerdings mit deutlich mehr Aufwand verbunden ist und für den Einstieg im ersten Schritt nicht zu empfehlen ist.
Haben Sie über den Ansatz entschieden, können Sie die üblichen Tools und Verfahren anwenden, um das Geschäftsmodell zu präzisieren. Auf dem Medizintechnik-Markt bewährt haben sich z.B. die Erweiterung eines bestehenden Geschäftsmodells mittels des Value Proposition Designs, also der am Nutzen für den Kunden orientierten Weiterentwicklung, indem man sich etwa vom einfachen Lieferanten zum Komponenten-Dienstleister mit Mehrwert weiterentwickelt. Man liefert dann z.B. nicht mehr nur das Dreh- und Frästeil, sondern besorgt auch dessen Veredelung bis hin zur Komponenten-Montage, sodass man als Systemlieferant dem Kunden einen Mehrwert bieten kann.
Aber zur Entwicklung Ihres Geschäftsmodell sollten Sie auch durchaus anspruchsvollere Strategien in Betracht ziehen: Zum Beispiel durch die Neudefinition eines Angebots einen bis dato nicht existierenden Teilmarkt zu erschließen, einen noch unberührten „Blue Ocean“, um so völlig neue Kundengruppen zu erreichen und der Konkurrenz auszuweichen. Die Anwendung dieser und ähnlicher Methoden setzt allerdings gute bis sehr gute Kenntnisse des Marktes voraus.
3. Entwerfen Sie eine Markteintrittsstrategie
Die eigentliche Markteintrittsstrategie beruht meist auf der Idee des Profitcenters: Der Unternehmensteil, der auf den Medizintechnik-Markt drängt, soll wie ein eigenes Unternehmen denken und handeln, was zum einen organisatorische Vorteile hat – denn so lässt sich der Unternehmensteil besser steuern –, und zum anderen eine bessere Beurteilung der Rentabilität dieser Sparte ermöglicht, indem die Kosten den Erträgen des Geschäftsbereichs direkt gegenübergestellt werden können.
Wichtig ist in jedem Fall ein strukturiertes Vorgehen mit einem in der Regel agilen Projektmanagement, damit der Markteintritt operativ sehr zügig und zielgerichtet vollzogen werden kann.
Den Marktzugang eröffnen geeignete Pilotprojekte: Denn diese dienen nicht nur dazu, in Zusammenarbeit mit Ihren Pilotpartnern alle Abläufe und Prozesse zu validieren, sondern in einem zweiten Schritt auch als „success story“ für Marketing-Maßnahmen und als Ausgangspunkt für die Skalierung Ihres Geschäfts.
Um an solche Pilotprojekte zu kommen, sollten Sie unbedingt mit einem Branchen-Kenner zusammenarbeiten, der über das für die Projekt-Akquise nötige Netzwerk verfügt.
4. Stellen Sie Ihre Mitarbeiter auf den Strukturwandel ein
Ein Faktor für den Erfolg Ihres Markteintritts ist auch der Mindset Ihrer Mitarbeiter.
Denn abgesehen davon, dass der interne Strukturwandel nur gelingen wird, wenn alle Mitarbeiter verstanden haben, worum es dabei geht, richten sich an die Qualität von Medizintechnik-Produkten besondere Erwartungen. Aber die lassen sich nur erfüllen, wenn Ihre Mitarbeiter entsprechend motiviert sind.
Deshalb sollten Sie Ihre Mitarbeiter z.B. frühzeitig dafür sensibilisieren, dass MedTech-Produkte ja in der Humanmedizin zum Einsatz kommen, was nichts anderes heißt, als dass von deren Qualität Menschenleben abhängen können.
5. Überprüfen Sie regelmäßig Ihr Geschäftsmodell
Bekanntlich bleibt nichts, wie es ist, und Trends oder gar Megatrends können auf Ihr Geschäftsmodell gravierende Auswirkungen haben.
Dabei ist in erster Linie an die Digitalisierung zu denken. Denn Medizinprodukte sind zwar schon feinwerktechnische Spitzenprodukte, aber die zunehmende Datengewinnung und Vernetzung von realen und virtuellen Produkten, die „Internet of Things“, beeinflusst sowohl die Produktentwicklung als auch die Marktentwicklung und den Vertrieb. So nimmt die Zahl digitaler bzw. Software-basierter MedTech-Produkte und Innovationen ständig zu.
Aber auch regulatorische Marktveränderungen können etablierte Geschäftsmodelle zerstören und/ oder völlig neue Modelle möglich machen.
Deshalb sollten Sie solche Entwicklungen im Blick behalten und Ihr Geschäftsmodell regelmäßig überprüfen, indem Sie es einer rigorosen Analyse unterziehen, die sowohl Schwachpunkte als auch Verbesserungspotenziale sichtbar macht. Auf diese Weise können Sie sich frühzeitig sich verändernden Märkten anpassen, ohne in Hektik verfallen zu müssen oder gar in eine Substanz gefährdende Schieflage zu geraten.
Und nicht nur das: Ein Wandel, der bereits im Gange ist, bietet oft unvorhergesehene Chancen, die man für sich nutzen kann.