Wie überwinde ich Widerstände im Changemanagement?
Widerstände zu überwinden, gehört zum Kerngeschäft von Changemanagern. Dabei kann schon mal Porzellan zu Bruch gehen – teils mit schwerwiegenden Folgen. Wie man seine Ziele durchsetzt, ohne irreparable Schäden zu verursachen, erklärt unser Experte.
Wie Sie als Changemanager mit Widerständen umgehen, entscheidet mehr als alles andere darüber, ob Ihr Veränderungsprojekt gelingt.
Zwar werden Sie bei einem solchen Vorhaben niemals alle Stakeholder glücklich machen. Aber wenn im Verlauf des Transformationsprozesses zu viel Porzellan zu Bruch geht, lässt sich das nicht mehr geraderücken – mit negativen Folgen für die zwischenmenschlichen Beziehungen in Ihrer Organisation, für das Betriebsklima und – über kurz oder lang – auch für die Bilanzen.
Ich bin daher der Meinung: Wie man Widerstände überwindet, sollte im Mittelpunkt des Changemanagements stehen.
Hier erfahren Sie dazu mehr:
- Widerstände bei Veränderungsprozessen überwinden: Fünf Praxis-Tipps
- Widerstand ist nicht gleich Widerstand: Wann welche Strategien wirken
- Jeder reagiert anders, aber viele ähnlich: Vier Prototypen, mit denen Sie es zu tun bekommen
- Fünf Prinzipien für Ihre Change-Strategie: An diesen Grundsätzen kommen Sie nicht vorbei
Widerstände bei Veränderungsprozessen überwinden: Fünf Praxis-Tipps
Um eine Organisation weiterzuentwickeln, braucht man einen Plan – und viel Erfahrung. Dabei kommt es letzten Endes vor allem auf fünf Punkte an:
1. Machen Sie die Überwindung von Widerständen zum Kern Ihrer Strategie
Jeder Transformationsprozess ruft – wie alle ambitionierten Projekte – bei den Betroffenen fast zwangsläufig Widerstände hervor. Ja, es wäre tatsächlich bedenklicher, wenn es einmal nicht so wäre: Das würde eher darauf hinweisen, dass etwas grundlegend schiefläuft.
Aber gerade das kann einen dazu verleiten, Widerstände beiseitezuschieben, indem man etwa folgendermaßen argumentiert:
- Manche Mitarbeiter brauchen einfach etwas länger, um sich an die neuen Umstände zu gewöhnen. Mit der Zeit werden sie sich nach und nach darauf einlassen.
- Sich gegen einen Transformationsprozess zu stemmen, der unvermeidlich ist, hat keinen Sinn. Das werden auch die Kritiker über kurz oder lang einsehen.
- Wo gehobelt wird, fallen Späne. Die Transformationsziele darf man nicht aus den Augen verlieren. Kollateralschäden gibt es immer.
Das wäre aber nach meiner Überzeugung ein Fehler.
Gerade weil Veränderungsprozesse Widerstände provozieren, sollten Sie Ihnen besondere Aufmerksamkeit widmen – und Gegenmaßnahmen in den Mittelpunkt Ihrer Strategie rücken.
2. Erhöhen Sie die Veränderungsbereitschaft
Wenn Sie – für alle sichtbar – Ihre eigenen Strukturen und Abläufe dem Wandel anpassen, stellen Sie klar, dass auch Sie selbst von den Zielen des Transformationsprozesses überzeugt sind.
Das weckt Vertrauen in Ihre Führung – und es erhöht die Veränderungsbereitschaft Ihrer Mitarbeiter.
Führungskräfte sollten ihre Rolle als Veränderer nicht nur annehmen. Sie müssen sie leben!
3. Binden Sie Mitarbeitende in den Veränderungsprozess ein
Veränderungsprozesse sind stressig. Um sich weiterhin voll auf den Prozess konzentrieren zu können, kann das den Changemanager dazu verleiten, seine Erreichbarkeit stark einzuschränken.
Meines Erachtens sollten Sie aber genau das Gegenteil tun: Gehen Sie auf Ihre Mitarbeitenden zu und suchen Sie das Gespräch mit ihnen.
So bewirken Sie mindestens dreierlei:
- Ihre Mitarbeitenden bekommen Gelegenheit, ihre Einwände, Bedenken oder Ängste zu artikulieren.
- Sie unterstreichen, wie wichtig Ihnen Ihre Mitarbeitenden sind.
- Niemand will von einer Entwicklung einfach überrollt werden. Wenn Sie sich mit Ihren Mitarbeitenden austauschen, binden Sie diese in den Prozess mit ein und machen sie zu Akteuren.
4. Kommunizieren Sie, worum es eigentlich geht
Ihre Mitarbeiter werden im Verlauf des Transformationsprozesses sehr wahrscheinlich immer wieder dieselben zwei Fragen stellen.
Die erste bezieht sich auf das Warum. Dabei geht es um Fragen wie:
- Warum setzen wir diesen Prozess eigentlich um?
- Welche Gründe gibt es dafür?
- Worauf soll das alles hinauslaufen?
Die zweite Frage betrifft die Art und Weise, wie der Prozess ablaufen wird:
- Wie läuft der Veränderungsprozess ab?
- Welche Maßnahmen werden wir im Einzelnen ergreifen?
- Werden diese Maßnahmen auch mich betreffen?
- Wird sich meine Rolle beziehungsweise Stellenbeschreibung infolge der Transformation ändern?
Sie werden sich sehr früh mit diesen Fragen konfrontiert sehen. Möglichst konkrete, ausführliche und nachvollziehbare Antworten darauf sollten deshalb von Anfang an Teil Ihrer Veränderungskommunikation sein.
5. Gehen Sie planmäßig vor
Jeder Veränderungsprozess durchläuft mehrere Phasen.
Wie viele und welche genau, ist nicht von Bedeutung. So arbeiten manche Modelle mit fünf (Krüger), andere mit sieben (Streich), wieder andere mit acht verschiedenen Phasen (Kotter).
Doch eine solche Einteilung ist ein effektives Instrument zur Steuerung des Prozesses. Haben Sie nämlich anhand Ihres präferierten Modells bestimmt, in welcher Phase sich der Prozess gerade befindet, so gewinnen Sie daraus die folgenden Erkenntnisse:
- Wie weit Sie schon gekommen sind.
- Wie hoch der Veränderungsreifegrad Ihrer Organisation derzeit ist.
- Welche Informationen Sie in dieser Phase des Transformationsprozesses kommunizieren können.
Auf dieser Grundlage können Sie die Maßnahmen bestimmen, die an diesem Punkt des Geschehens richtig sind.
Fazit: Kluges Changemanagement ist effektiv
Meine Tipps für erfolgreiches Changemanagement sind:
- Widerstände zu überwinden, gehört zum Kerngeschäft. Machen Sie das zu einem strategischen Ziel.
- Man muss dazu bereit sein. Steigern Sie die Veränderungsbereitschaft Ihrer Mitarbeitenden.
- Wer mitmacht, stellt sich nicht quer. Achten Sie darauf, Ihre Mitarbeiter in den Transformationsprozess einzubinden.
- Kommunikation auf Augenhöhe. Gehen Sie jedes Mal, wenn Ihre Mitarbeiter nach dem Warum und dem Wie des Transformationsprozesses fragen, ausführlich darauf ein.
- Alles zu seiner Zeit. Ergreifen Sie stets solche Maßnahmen, die zu der Phase passen, in der sich der Prozess gerade befindet.
Widerstand ist nicht gleich Widerstand: Wann welche Strategien wirken
Für die strategische Zielplanung ist es wichtig, die Gründe zu kennen, die hinter der Ablehnung eines Veränderungsprozesses steckt. Außerdem lassen sich danach verschiedene Widerstandsformen unterscheiden. Die folgenden sechs kommen am häufigsten vor:
1. Der natürliche Widerstand
Charakteristischer Ausdruck: „Ich verstehe nicht, warum wir das überhaupt ändern sollen.“
Hintergrund: Es fehlen Informationen, etwa zum Warum und Wie des Change-Projekts, und diese Ungewissheit provoziert den Widerstand.
Gegenmaßnahme: Informationen zugänglich machen, die faktenbasiert, ausführlich und nachvollziehbar sind.
2. Der dogmatische Widerstand
Charakteristischer Ausdruck: „Was sollen all die Neuerungen bringen? Ich mache meinen Job doch gut!“
Hintergrund: Der Skeptiker sieht einen Unterschied zwischen seinen Zielen und denen des Transformationsprozesses.
Gegenmaßnahme: Schrittweise herausarbeiten, dass in Wirklichkeit kein Unterschied besteht. Dabei sollte man von dem Selbstverständnis des Skeptikers ausgehen und die Werte und Ziele sehr präzise benennen.
3. Der funktionale Widerstand
Charakteristische Ausdruck: „Warum soll ich mit dem neuen Tool (mit dem neuen Team, mit …) arbeiten? Das habe ich bisher auch nicht gemacht!“
Hintergrund: Die Befürchtung, dass Qualifikation und Erfahrung nicht ausreichen, um in der neuen Situation zu bestehen.
Gegenmaßnahme: Individualisierte und betont praxisorientierte Schulungen und Trainings anbieten, bei denen die Teilnehmenden mit den neuen Tools experimentieren können.
4. Der Gerechtigkeit fordernde Widerstand
Charakteristische Ausdruck: „Warum soll nur ich die Sicherheitsschuhe tragen? Der Produktionsleiter trägt doch auch keine!“
Hintergrund: Neuerungen betreffen nicht alle – oder werden inkonsequent umgesetzt.
Gegenmaßnahme: Die positiven Folgen herausstellen, die die Befolgung der Regel hat, und die Regel konsequent umsetzen.
5. Der besitzstandswahrende Widerstand
Charakteristischer Ausdruck: „Warum muss sich meine Stellenbeschreibung plötzlich ändern? Bisher lief doch alles gut!“
Hintergrund: Furcht vor einem Statusverlust.
Gegenmaßnahme: Klären, warum einzelne Mitarbeitende gewisse Privilegien genießen, und entsprechende positive oder negative Anreize nutzen.
6. Der opportunistische Widerstand
Charakteristischer Ausdruck: „Natürlich bin ich für den Wandel! Aber der macht meine Arbeit komplexer und anspruchsvoller. Und dafür müsste ich entsprechend entlohnt werden.“
Hintergrund: Der Versuch, die Zustimmung zum Prozess zu versilbern.
Gegenmaßnahme: Klären, ob und gegebenenfalls welchen Spielraum es für Verhandlungen gibt, und auf den Handel entsprechend eingehen – oder eben nicht.
Jeder reagiert anders, aber viele ähnlich: Vier Prototypen, mit denen Sie es zu tun bekommen
Je nachdem, wie stark sie den Transformationsprozess ablehnen, lassen sich die Mitglieder einer Organisation einem von bis zu vier Prototypen zuordnen: dem Promotor, dem Skeptiker, dem Bremser und dem Unbelehrbaren.
1. Der Promotor
Der Promotor ist Ihr Freund! Er hat keine oder nur sehr wenige Vorbehalte gegen Ihr Projekt und unterstützt Sie daher, so gut er kann.
Bei Promotoren geht es darum, sie in den Prozess möglichst eng einzubinden: Machen Sie den Promotor zu einem sogenannten Change-Agent, also zu einem Multiplikator, der weit in die Belegschaft hineinwirkt, indem Sie ihn regelmäßig auf den neusten Stand bringen – und ihn gerne auch mal inoffiziell mit Hintergrundinformationen versorgen.
Als Change-Agent ist der Promotor unverzichtbar. Ihr Ziel sollte es daher sein, bereits in der Frühphase des Veränderungsprozesses möglichst viele Promotoren auf Ihre Seite zu ziehen und zu aktivieren.
2. Der Skeptiker
Der Skeptiker hat mehrheitlich rein sachliche Vorbehalte. Meiner Erfahrung nach handelt es sich typischerweise um einen Experten beziehungsweise Spezialisten, der schon sehr lange Teil der Organisation ist.
Es gibt also mindestens zwei Gründe dafür, die Einwände des Skeptikers ernst zu nehmen. Erstens um zu demonstrieren, dass Sie seine Person und Expertise wertschätzen. Als Spezialist möchte der Skeptiker ja auch gehört werden. Zum anderen dürften seine sachlichen und fachlich fundierten Einwände gut begründet sein.
Jedenfalls müssen Sie Ihrerseits sachliche Argumente vortragen, um die Vorbehalte des Skeptikers zu entkräften. Denn sobald er merkt, dass Sie ihn ernstnehmen und seine Einwände tatsächlich berücksichtigen, stehen die Chancen sehr gut, ihn von Ihrem Projekt zu überzeugen.
Und wenn das geschieht, haben Sie einen besonders stark engagierten Verbündeten gewonnen. Sollte nämlich der Prozess doch noch scheitern, hätte auch der Skeptiker viel zu verlieren. Auf alle Fälle ist es einer der ersten großen Meilensteine auf dem Weg, die Widerstände gegen Ihr Change-Projekt zu überwinden.
3. Der Bremser
Hinter den Vorbehalten, die der Bremser äußert, stehen gewisse Ängste – die zu haben er natürlich nie öffentlich einräumen würde.
Sie werden diese Mitarbeiter daher nicht durch Betriebsversammlungen oder Gruppengesprächen überzeugen: An diese Mitarbeitenden kommen Sie nur in persönlichen Vier-Augen-Gesprächen heran.
Machen Sie also ein solches Gesprächsformat zu einem Teil Ihrer Change- und Projektkommunikation – etwa in Form einer regelmäßigen Sprechstunde, in der Mitarbeitende ihre Fragen zu dem Veränderungsvorhaben stellen können.
Gelingt es Ihnen, die privaten Ängste des Bremsers abzubauen, stehen die Chancen gut, dass er seinen Widerstand aufgibt und am Veränderungsprozess mitarbeitet.
4. Der Unbelehrbare
Zuerst die schlechte Nachricht: Ihre Veränderungskommunikation mag noch so effektiv sein – einige Mitarbeiter werden Sie grundsätzlich nicht erreichen, da persönliche und sachliche Vorbehalte jede Verständigung blockieren.
Die Gefahr besteht, dass die generelle Ablehnung des Unbelehrbaren sich zu einem destruktiven Verhalten auswächst, die nach und nach immer mehr Mitarbeitende ansteckt. Dementsprechend geht es hier nicht darum, den Widerstand zu überwinden. Ziel ist es, die weitere Verbreitung einzudämmen.
Die gute Nachricht lautet: Nach einschlägigen Studien repräsentiert dieser Prototyp eine Minderheit. Wegen des Pareto-Effekts müssen Sie zwar viel Aufwand investieren, um zu verhindern, dass die negative Stimmung sich weiterverbreitet. Aber der Unbelehrbare repräsentiert für gewöhnlich nur rund ein Fünftel der Belegschaft.
Fünf Prinzipien für Ihre Change-Strategie: An diesen Grundsätzen kommen Sie nicht vorbei
Eine Change-Strategie sollte auf den folgenden fünf Grundsätzen beruhen:
Erstes Prinzip: Ein realistisches Transformationsziel definieren
Entwerfen Sie zusammen mit allen Verantwortlichen ein – realistisches – Bild Ihrer Organisation, wie sie am Ende des Transformationsprozesses einmal sein soll.
Dabei sollten drei Dinge im Mittelpunkt stehen:
- die Alleinstellungsmerkmale Ihres Produkts beziehungsweise Ihrer Dienstleistung,
- Ihre Kernkompetenzen und
- die Grundwerte Ihrer Unternehmenskultur.
Die eigenen Stärken herauszustellen, gibt Ihrem Team den Mut, den Wandel als Chance zu begreifen – aber nur, wenn das Top-Management das neue Zielbild der Organisation gegenüber aktiv vertritt und kommuniziert.
Zweites Prinzip: Leitlinien für die Führungskräfte einführen
Es sind nicht die bürokratischen Regelungen aller Einzelheiten, die eine Organisation zusammenhalten, sondern Grundwerte und Prinzipien, die alle Führungskräfte teilen.
Einer meiner Kunden, ein Maschinenbauer, setzte zum Beispiel in Sachen Mitarbeitergesprächen fest, dass solche Gespräche mindestens einmal pro Monat stattzufinden hätten. Aber wie oft die Team- und Abteilungsleiter dieses Instrument darüber hinaus einsetzten, blieb ihnen überlassen.
Drittes Prinzip: Sich auf den strukturellen Wandel fokussieren
Vereinfachen Sie Strukturen – langsam, aber sicher.
Arbeiten Sie bereichsübergreifend daran, Verkrustungen aufzubrechen und erlahmte Abläufe wieder in Gang zu bringen.
Flachere Hierarchien stellen ihren unternehmerischen Wert immer wieder unter Beweis: Mitarbeiter wissen es einfach zu schätzen, wenn sie in sich schnell verändernden Umfeldern eigenverantwortlich agieren können.
Viertes Prinzip: Die Organisation lernen lassen
Kein Mitglied einer Organisation – vom Pförtner bis zum Aufsichtsratsvorsitzenden – ist perfekt.
Doch das muss man keineswegs bedauern: Fehler sind der Motor des Lern- und Entwicklungsprozesses, den eine sich verändernde Organisation dringend braucht. Eine positive Fehlerkultur macht es Mitarbeitern möglich, Risiken einzugehen und nach neuen Lösungen zu suchen.
Fördern Sie das!
Fünftes Prinzip: Einen aktiven Informationstransfer etablieren
Zumal inmitten eines laufenden Veränderungsprozesses brauchen Mitarbeiter ununterbrochen Zugang zu sämtlichen relevanten Informationen.
Sorgen Sie daher für einen aktiven Informationstransfer. Das kann zum Beispiel schon eine Hotline leisten, die die allerwichtigsten Informationen proaktiv bereitstellt, während weitere Informationen bei Bedarf in einem CRM bereitliegen.
Auf alle Fälle ist der Informationstransfer neben der Veränderungskommunikation eines der wirkungsvollsten Instrumente des Changemanagements.